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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung
Autoren: Jürg Willi
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Korsett der Ehe befreien. Nichtlegalisierte Konkubinate versprachen das Angebot einer freien, ehrlichen Beziehung, die jederzeit aufgelöst werden konnte, wenn die Liebe nicht mehr stimmte. Man wollte «Ohne Lügen lieben», d.h. frei sein, sich täglich den weiteren Bestand der Beziehung anzubieten. Es kam zu einer Befreiungsbewegung aus dem normativen Korsett der Ehe Historischer Wandel der Ehe und Scheidung , ein Aufkommen nichtlegalisierter Partnerbeziehungen, in welchen man sich täglich neu, ohne verpflichtende Bindungen, füreinander entscheiden wollte und konnte. Die Zahl der Eheschließungen ging deutlich zurück, stabilisierte sich dann aber auf einem Niveau, gemäß welchem die Ehe nach wie vor die häufigste Lebensform im Erwachsenenalter ist. Es kam zu einem bis heute anhaltenden Kampf um die Egalisierung der Rollen von Mann und Frau. Die Frauen stellten Forderungen, die den Männern noch lange Zeit unerfüllbar schienen. Man glaubte, die Aufteilung der Aufgaben seien natur- und gottgegeben. Der Mann verwaltete das Departement des Äußeren: Er sicherte die Existenz durch seine Berufstätigkeit, er verwaltete das Vermögen, er bestimmte den Wohnort, er war für das Sozialprestige der Familie verantwortlich. Die Frau übernahm das Departement des Innern und war zuständig für die Erfüllung der Haushaltspflichten, des Kochens, Putzens und für die Erziehung der Kinder. Das sollte sich – so die feministische Bewegung – von Grund auf ändern. Die Frauen sollten ebenbürtige Chancen in der Berufsarbeit erhalten, sie sollten gleiche Chancen auf Berufskarrieren haben und dabei auch gleichen Lohn bei gleicher Arbeit. Es sollte nicht mehr von Gott und der Gesellschaft gewollt sein, dass der Mann sich ganz im Beruf verausgabt, um Geld zu verdienen, vielmehr sollte der Mann sich ebenbürtig am Aufziehen der Kinder beteiligen, Mann und Frau sollten die gleichen beruflichen Privilegien und Chancen haben. In den 68er-Jahren galten solche Ziele als illusorisch und nicht erreichbar.
    In einem 30–40 Jahre dauernden gesellschaftlichen Kampf setzten die Frauen ihre Forderungen weitgehend durch. Sie verfügen heute über eine gleichwertige Ausbildung, für die Betreuung der Kinder stehen eine Vielzahl von Einrichtungen zur Verfügung. Außerdem engagieren sich die Väter weit mehr als früher sowohl im Haushalt wie bei der Kinderbetreuung. Eine Vielzahl von Kinderkrippen und Kinderhorten/Kindergärten erlauben den Müttern eine Berufstätigkeit Berufstätigkeit der Frau neben der Kinderbetreuung. Über lange Zeit hatten die Frauen meist nur die Möglichkeit, eine untergeordnete Berufsarbeit zu verrichten, die ihnen genügend innere und äußere Freiheit gab, sich um die Kinder zu kümmern. Zunächst ging es für die Frauen darum, durch ihre Berufsarbeit etwas dazuzuverdienen und damit auch über ein eigenes Einkommen zu verfügen. Das brachte ihnen die finanzielle Unabhängigkeit vom Mann mit allen Auswirkungen auf die Machtverteilung Wandel der Geschlechtsrollen . Damit verbunden war jedoch auch die Erwartung an die Frau, dass sie für die finanzielle Situation des Paares oder der Familie einen substanziellen Beitrag leiste. Es war damit nicht mehr selbstverständlich, dass der Mann für die finanzielle Versorgung zuständig sei. Ist das das, was alle Frauen wirklich wollten?

1.2. Das paradoxe Verhalten berufstätiger Frauen
    Wie komplex die gesellschaftlichen Veränderungen für Frauen und Männer sind, zeigt sich besonders anschaulich im Buch «Geschlechterparadox» der australischen Psychologin Susanne Pinker (2008). Sie beschreibt darin die unterschiedliche Situation der begabten Mädchen und schwierigen Jungen mit bemerkenswerten Befunden. Sie hat dabei wichtige und einleuchtende Unterschiede zwischen Männern und Frauen herausgearbeitet. Sie schreibt: «Seit vier Jahrzehnten versucht man nun schon, Frauen im Berufsleben die gleiche Chance zu eröffnen wie Männern. Tatsächlich sind die Schulen und Universitäten voll von Begabten und ambitionierten Mädchen, die ihre männlichen Klassenkameraden und Kommilitoninnen häufig überflügeln. Jungen dagegen sind überdurchschnittlich stark vertreten unter den sogenannten ‹Problemkindern›, die an Konzentrations- und Lernschwächen leiden. Trotzdem findet man in den Chefetagen der Wirtschaftskonzerne und in den Führungspositionen von Politik und Wirtschaft immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Wie kommt es, dass die schwierigen Jungen im Berufsleben
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