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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung
Autoren: Jürg Willi
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Glück zu übernehmen, sondern erwarteten, dass das Glück ihnen beschieden werde. Zu Beginn der Beziehung hatten die Männer versucht, die Verantwortung für ihr Glück zu übernehmen. Doch dann fühlten sie sich zunehmend überfordert. Oft setzten sie sich nicht offen zur Wehr, sondern zogen sich in sich zurück, sprachen nicht mehr und versuchten den Zustand einfach klaglos auszuhalten. Die Frau fühlte sich dementsprechend in ihren unerfüllten Wünschen nicht ernst genommen, sodass folgende Tendenz bestand: je mehr der Mann die Klagen abwehrte, desto stärker verfiel die Frau in Anklage, und je mehr sie in Anklage verfiel, desto mehr zog der Mann sich von ihr zurück.
    Unter dem gesellschaftlichen Wandel in der Einstellung zur Liebesbeziehung und Paarbeziehungen hatten sich auch die Grundhaltungen von Mann und Frau der Paartherapie gegenüber verändert. Männer mussten häufig erleben, dass die Frauen die Scheidung gegen den Willen des Mannes durchsetzten. Männer sind zunehmend besorgt, dass die Frauen von den Gerichten bevorzugt behandelt werden. Frauen sagen häufiger, sie liebten ihren Mann nicht mehr, und streben in der Paartherapie die Scheidung an. Nicht selten zeigen sie keine Lust mehr, sich um einen Neuanfang in der Beziehung zum Mann zu bemühen. Sie sagen, sie hätten nun jahrelang geklagt und hätten sich vom Mann nicht ernst genommen gefühlt, jetzt sei es zu spät. Meistens bleiben sie bei dieser Haltung, auch wenn der Mann in der Paartherapie willens ist, Veränderungen ins Auge zu fassen und etwas für die Verbesserung der Beziehung zu tun. Wenn Männer den Kontakt mit ihren Kindern verlieren, verlieren sie nicht selten ihre Lebensmotivation, da sie sich nur noch als Zahlvater gebraucht fühlen, sonst aber von den Kindern ferngehalten werden. Männer bemühen sich gegenwärtig auch auf politischer Ebene um das gemeinsame Sorgerecht. Dazu ist aber Voraussetzung, dass Männer sich in der Haushaltsführung und Kinderbetreuung engagieren. Hier ist immer noch ein gesellschaftlicher Umbruch im Gang. Männer reduzieren ihre berufliche Inanspruchnahme und teilen sich immer häufiger mit ihren Frauen in die häuslichen Aufgaben. Nicht selten haben sich die Rollen umgekehrt, d.h., dass der Mann einen Großteil der Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernimmt.
    Wenn man also heute vermehrt Männer mit Babys spazieren gehen sieht, so ist dieser Wandel nicht ganz freiwillig, sondern aus dem Bestreben entstehend, zu den Kindern eine Bindung aufzubauen, um in der Familie gebraucht zu werden und im Falle einer Scheidung die Elternfunktion nicht zu verlieren.

2.1. Das Abgrenzungsprinzip Abgrenzungsprinzip
    Es geht hier um die Abgrenzungsproblematik des Paares gegen außen und gegen innen: Wie nahe kann man sich in einer Paarbeziehung kommen, ohne sich aufzugeben? Wie stark sollte sich ein Paar gegen außen abgrenzen? Ich glaube, dass jedes Paar sich seine Position auf einem Kontinuum zwischen Verschmelzung und rigider Abgrenzung suchen muss. Der Mittelbereich zwischen diesen Extremen erlaubt ein normales Funktionieren einer Paarbeziehung.
    Grenzziehungen innerhalb und außerhalb eines Paares
    Auf der rechten Seite der Tabelle haben wir die dyadische Verschmelzung, bei der die Partner eine symbiotische Einheit, ein gemeinsames Selbst bilden. Häufig sind diese Paare gegen Außenstehende rigide abgegrenzt und halten ihre extradyadischen Grenzen undurchlässig. Diese Extremform ist meist das Leitbild in der Phase der Verliebtheit. Man möchte ganz eins sein, einander ganz gehören, alles miteinander teilen und sich auf eine totale Harmonie einstimmen. Es kommt dabei leicht zur «Überintimität» mit Verlust der Ich-Grenzen, des eigenen Selbst (siehe narzisstische Kollusion) und Unterdrückung aller aggressiven und oft auch sexuellen Strebungen. Gleichzeitig hält man die Beziehung für so einmalig und ideal, dass man sie wie ein Mysterium vor dem Einblick Außenstehender bewahren will. Man möchte der Außenwelt gegenüber nur als geschlossenes Paar in Erscheinung treten.
    Auf der linken Seite der Tabelle stehen die Partner, die aus Angst vor Selbstverlust sich rigide gegeneinander abgrenzen und die Intimität fürchten. Intradyadisch steht zwischen den Partnern ein Schutzwall, häufig einhergehend mit diffusen extradyadischen Grenzen. Die Intimität zu Drittpersonen dient als Schutz vor allzu großer dyadischer Nähe. Man verbindet sich mit Kindern, Freunden und Verwandten, um sich umso sicherer vom Partner
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