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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung
Autoren: Jürg Willi
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Familien feststellen, möchte ich in gleicher Weise auf kranke Ehen übertragen: Ein wesentliches Ziel der Ehetherapie liegt in der Herstellung klarer, aber durchlässiger intradyadischer und extradyadischer Grenzen!
    Diese Grenzen müssen nicht nur gegenüber außerehelichen Liebhabern und Freunden klar markiert sein, sondern auch gegenüber den Eltern und den eigenen Kindern. Ist man verheiratet, so muss den Eltern und Schwiegereltern, die häufig Mühe haben, ein Kind freizugeben, unmissverständlich klargemacht werden, dass man mit dem Ehepartner ein eigenes Beziehungssystem bildet, das sich ihnen gegenüber abgrenzt und das den Vorrang vor der Beziehung zu ihnen hat. Sie müssen deutlich spüren, dass man im Falle eines Streites eher zum Ehepartner als zu ihnen halten wird. Wird das klar ausgedrückt, so lässt sich die Beziehung zu den Eltern in der Ehe meist harmonischer gestalten, als wenn ihnen die Chance gelassen wird, sich mit Druckversuchen und Intrigen in die Ehe einzumischen.
    Auch den Kindern muss klar sein, dass die Ehe der Eltern eine Beziehung eigener Art ist, die sich klar von der Eltern-Kind-Beziehung unterscheidet. Diese Regel wird häufig nicht eingehalten, worauf im Kapitel 8 näher eingegangen wird.
    Die Grenzen des dyadischen Systems sollen aber andererseits nicht rigide sein. Es geht also bei der Befolgung der Strukturregel um das Maß. Rigide Grenzen sind Kommunikationsbarrieren, die das Zusammenleben verkümmern und absterben lassen. Diffuse Grenzen ermöglichen ein hohes Maß an Dynamik, erzeugen aber aus der mangelnden Ordnung heraus oft ein Übermaß an Spannungen und Ängsten, die dem Zusammenleben abträglich sind.

2.2. Progressives Progressives Abwehrverhalten [2] und regressives Regressives Abwehrverhalten [3] Abwehrverhalten
    Die Ehe hat viele psychologische Parallelen zur frühkindlichen Eltern-Kind-Beziehung und wird von dieser auch wesentlich geprägt. In den ersten Lebensmonaten und -jahren wird das Kind in die Elemente intimer menschlicher Beziehungen eingeführt. Das Kind ist auf einen relativ kleinen und überschaubaren Kreis von Mitmenschen, auf die Familie, bezogen. Mit der Heirat treten die Partner wieder in ein ähnliches Beziehungssystem ein, jetzt allerdings in einer anderen Position, nicht mehr als Kinder, aber meist auch noch nicht als reife Erwachsene. Entsprechend ist vieles in der Ehebeziehung ambivalent, einerseits auf Regression und kindlichen Nachholbedarf, andererseits auf Progression zu «erwachsenem» Verhalten angelegt.
    Die intime Paarbeziehung bietet eine Menge regressiver und progressiver Verhaltensmöglichkeiten an. Keine menschliche Beziehung kommt der frühkindlichen Eltern-Kind-Intimität so nahe wie die Ehe.
    Keine Beziehung gewährt eine so umfassende Befriedigung elementarster Bedürfnisse nach Einssein, Einander-Gehören, nach Pflege und Umsorgung, Schutz, Geborgenheit und Abhängigkeit. Die Verhaltensweisen zweier Verliebter sind denn auch in vieler Hinsicht denjenigen zwischen Mutter und Säugling ähnlich: Sie halten sich in den Armen, sie streicheln sich, suchen Hautkontakt, blicken sich tief in die Augen, lächeln sich an, drücken und klammern sich fest aneinander, sie herzen, scherzen und küssen. Auch ihre Sprache regrediert oft auf präverbale Laute und frühkindliche Ausdrucksweisen.
    Andererseits erfordert kaum eine andere menschliche Beziehung ein so hohes Maß an Identität, Stabilität, Autonomie und Reife wie eine intime, umfassende und verbindliche Zweierbeziehung. Die Partner erwarten voneinander ein tiefes menschliches Verständnis und eine echte Förderung in ihrer Entwicklung. Das Finden von Lösungen in der Fülle von Problemen, die sich ihnen stellen, erfordert Kompetenz und Tatkraft. In den meisten persönlichen Schwierigkeiten und Belastungen ist der Partner der Erste, der um Rat und Hilfe angegangen wird.
    In einer gesunden Paarbeziehung profitieren die Partner von der Möglichkeit, in freischwingender Balance partiell progredieren und regredieren zu können. Bald weint sich der eine regressiv beim anderen aus, der ihn – in der Mutter-Position – tröstet, bald ist es wieder der andere, der hilflos ist und den Rat und die Unterstützung des Ersteren beansprucht. Da man in der Paarbeziehung mit dem Ausgleichsverhalten des Partners rechnen kann, darf man sich eher mal regressives Verhalten leisten, ohne Angst vor sozialem Abgleiten haben zu müssen. Die Bewährung in stellvertretenden Hilfsfunktionen andererseits
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