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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung
Autoren: Jürg Willi
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Tendenz durchsetzen, dass die Frau immer regressiv-anspruchsvoller wird und den Mann auszusaugen versucht, der Mann sich aber nicht dagegen zur Wehr setzt, sondern zerknirscht sich in eine Ecke verzieht. Wie der Hysterophile wird solch ein Analytiker Affektausbrüche teilweise als peinlich erleben, teilweise aber auch davon fasziniert sein als Substitut seiner verlorenen Spontaneität.
    Das Gefühl, in der eigenen Ehe zu versagen, empfinden viele Analytiker als peinlich und kränkend, und das mag mitspielen, wenn sie sich als inkompetent für Ehetherapie erklären. Es entspricht ihrer emotionalen Ambivalenz, wenn sie Ehetherapie den Instanzen zuschieben, von denen sie im Grunde therapeutisches Versagen erwarten.

12.2. Zielsetzung der Paartherapie Paartherapie, Zielsetzung
    Das Ziel der Ehetherapie sehe ich in Übereinstimmung mit den meisten Ehetherapeuten nicht in der Rettung der Ehe um jeden Preis. Vielmehr möchte ich dem Paar aus der Stagnation ihrer Kollusionsbildung heraushelfen, sodass ihre Beziehung wieder eine freie Dynamik entfalten kann und die Partner entscheidungsfähig und damit auch scheidungsfähig werden. Ehetherapie soll zur Klärung der Beziehung führen. Das Ende einer geglückten Ehetherapie kann durchaus in einer Scheidung liegen. Nicht selten verhilft eine kurze Paarbehandlung in einer festgefahrenen Ehesituation den Partnern eher zu einer Entscheidung als eine langjährige Psychoanalyse. Den folgenden Brief schrieb mir eine Frau ein Jahr nach einer vier Wochen dauernden intensiven Paartherapie. Sie selbst wie ihr Mann hatten zuvor mehrjährige Psychoanalysen absolviert.
    «Sehr geehrter Herr Dr. Willi,
    wie Sie uns letztes Jahr sagten, sind Sie interessiert am Fortgang unseres Schicksals. Vor einem halben Jahr trennte ich mich von Fredy und bezog zusammen mit den Kindern eine 4-Zimmer-Wohnung in einem Neubauquartier. Die Trennung vollzog sich sehr harmonisch, und auch unser letztes Weihnachtsfest war friedlich und schön. Uns beiden schien eine Trennung die beste und ehrlichste Lösung. Die Kinder, denen unser Problem vertraut war, fanden eine Trennung ebenfalls das Beste. Fredy blieb allein im Haus und wird von unserer gemeinsamen Putzfrau versorgt.
    Unterdessen habe ich mich gut in der Wohnung eingelebt. Sie befindet sich in der Nähe der Schule, die die Kinder besuchen. Der Freundeskreis ist derselbe für sie geblieben, und sie sind vergnügt und akzeptieren die Lösung. Auch gehen sie oft zu Fredy zum Essen, oder als ich dieses Jahr auf einer Ferienreise war, wohnten sie dort.
    Fredy kümmert sich ganz rührend um die Kinder, und sie sind des Lobes voll über den veränderten Vater. Wir treffen uns auch ab und zu in der Stadt zum Essen, oder Fredy kommt zu mir in die Wohnung, damit wir die auf uns zukommenden Probleme besprechen können.
    Der Scheidungsvertrag ist sehr großzügig und fair gehalten […] nun ist es Sache des Gerichtes, uns zu scheiden, was vermutlich gegen Ende Juni sein wird. Fredy und ich werden auf alle Fälle alles daransetzen, auf Distanz gute Freunde zu bleiben. Dazu möchte ich Ihnen noch sagen, dass ich nicht beabsichtige, in der nächsten Zeit wieder zu heiraten.
    Natürlich bringt unsere Trennung auch viel Kummer, aber Fredy und ich sind beide überzeugt, dass wir das Richtige getan haben.
    Ihnen möchte ich sehr für alles danken, was Sie für uns getan haben. Wenn es auch nicht dazu geführt hat, dass wir wieder gemeinsam unser Leben fortsetzen, so hat es uns doch geholfen, wieder miteinander zu sprechen und unser Problem mit Anstand und Verständnis füreinander zu lösen.
    Mit herzlichen Grüßen, Ihre A. B.»
    Das besondere Ziel der Behandlung einer ehelichen Kollusion sehe ich in drei Aspekten.
    Der erste Aspekt liegt in der Selbsterkenntnis:
Am Ende der Therapie sollte jeder Partner Einsicht gewonnen haben, durch welche tieferen persönlichen Schwierigkeiten er bisher so starr in seiner Extremhaltung fixiert war, welche Ideale ihm diese Fehlhaltung erstrebenswert erscheinen ließen und welche Ängste, Schuld- und Schamgefühle er damit abzuwehren versuchte. Er sollte sich mit dem Persönlichkeitsteil befreunden, den er auf den Partner zu externalisieren versuchte, und diesen in sich integrieren. Damit sollte er eine größere Flexibilität bezüglich progressiver und regressiver Position erlangen.
    Ein zweiter Aspekt liegt im erhöhten Verständnis für den Partner
, in der Einsicht in die tieferen persönlichen Schwierigkeiten, die dem Partner das
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