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Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Titel: Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Autoren: Ursula Steen
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aufgeregt winselnde Meute aus dem Wagen und
ließ sie ein bisschen herumtoben. Dann pfiff sie die Hunde wieder zurück und
fing an, sich einzeln oder gruppenweise mit ihnen zu beschäftigen.
    Nach gut drei Stunden sammelte sie alle wieder
ein, verließ den Platz und rammte dabei fast einen silbergrauen Wagen, der ihr
in die Quere kam. Obwohl sie schuld war, stieg sie nicht etwa aus, um sich bei
dem Fahrer dafür zu entschuldigen. Stattdessen warf sie ihm einen kühlen, fast
feindseligen Blick zu. Dann setzte sie ihre Tour fort und verteilte die Hunde
über die drei Stadtteile, die zu ihrem Bezirk gehörten. Zum Schluss lieferte
sie die Zwergpudelhündin Daisy bei ihrer Besitzerin ab. Daisy gehörte zu den
Schoßhündchen der Marke „Treudoof“ und war nur dazu da, die heimische Couch zu
belagern oder eine Reihe von bescheuerten Kosenamen verpasst zu bekommen. Aber
ihre Besitzerin war recht sympathisch und auf eine melancholische Art und Weise
auch witzig.
    „Gott, Sie Arme“, sagte Frau Ringleben, als
Marie den Hund bei ihr abgeliefert hatte und noch eine Weile in der offenen
Haustür stehen blieb. „Jetzt müssen Sie auch noch Miss Daisy und ihr Chauffeur spielen. Dabei sind Sie krank und gehören ins
Bett. Können Sie überhaupt arbeiten in Ihrem Zustand?“
    „Da machen Sie sich mal keinen Kopf“, sagte
Marie und zog es vor, das Thema zu wechseln. „Was ich Sie schon lange mal
fragen wollte: Was sind Sie eigentlich von Beruf?“
    Da erfuhr sie, dass Julia Ringleben Hausfrau
war, sich jetzt aber als Hobbyautorin versuchte und an einem Unterhaltungsroman
über die Arbeits- und Perspektivlosigkeit der Generation um die 30 arbeitete.
Reichlich schwere Kost, fand Marie. Klang nicht gerade nach Unterhaltung. Aber
dann kam heraus, dass Frau Ringleben einen starken persönlichen Bezug zu dem
Thema hatte: Ihre drei Kinder waren etwa in Maries Alter und hatten Anglistik,
Germanistik und Philosophie studiert, alle mit sehr gutem Abschluss. Aber erst
eines hatte einen festen Vertrag ergattert, und das auch nicht in seinem
eigentlichen Beruf. Die anderen mussten sich noch mit befristeten Verträgen
oder Praktikumsplätzen begnügen und zogen wie Wanderarbeiter durch die
Republik. Im Moment lebten die drei in Hamburg, Köln und Wiesbaden. Zuerst dachte
Frau Ringleben noch, dass sie schlicht Pech hatten, aber inzwischen sah sie das
anders. Da sei etwas Ungutes im Gang, sagte sie, etwas, das eine ganze
Generation junger Erwachsener betraf. Das Unwort hieß: Praktikum! Wie das schon
klang. Nicht nach Schnupperzeit und Chance, sondern nach Ausbeutung und
Fleißarbeit. Natürlich seien die jungen Leute in Südeuropa schlimmer dran, und
hier solle die Lage ja bald besser werden, fügte sie hinzu. Aber darauf könnten
ihre Kinder nicht warten. Schließlich müssten sie heute ihre Miete bezahlen und
das, was sie sonst so zum Leben brauchten.
    „Dabei heißt es immer, dass Deutschland
Fachkräfte braucht und dass die Unternehmen volle Auftragsbücher haben“, sagte
sie. „Manche locken sogar mit Begrüßungsgeldern, Prämien und Extraurlauben. Das
ist doch der blanke Hohn! Davon merken meine drei nichts. Wie ist das denn bei
Ihnen?“
    „Im Prinzip genauso“, sagte Marie. „Mein
Zoologiestudium kann ich auch in die Tonne treten. Es gibt einfach zu wenig
Tierparks, bei denen ich arbeiten könnte, und in der Forschung wollte ich nicht
bleiben. Also hab ich mich selbstständig gemacht. Obwohl der Weg dahin steinig
war. Dieses ganze Drumherum, von der ersten Idee über den fertigen Plan bis zur
Finanzierung …“
    „Hat es sich denn gelohnt?“, fragte Frau
Ringleben.
    „Ja, doch. Der Job macht mir Spaß, und er ist
’ne echte Alternative zur Erwerbslosigkeit. Außerdem hat er noch einen Vorteil:
Ich muss nicht dauernd umziehen. Das würde ich nämlich hassen. Ich hab’s gern
etwas ruhiger und sesshafter.“
    „Na sehen Sie“, sagte Frau Ringleben. „Jeder
hat doch irgendwelche Fähigkeiten, auf die er im Notfall zurückgreifen kann.
Bei mir ist es das Schreiben, bei Ihnen sind’s die Tiere. Vielleicht wird ja
doch noch was aus uns beiden. Wenn wir unser Ziel ganz fest im Auge behalten,
werden wir es auch erreichen.“
    „Wenn wir Glück haben“, sagte Marie.
    „Wenn wir Glück haben“, sagte Frau Ringleben,
hob Daisy hoch und vergrub ihre Nase in deren silbrigen Krissellöckchen.
    Auf dem Heimweg dachte Marie, dass ihr Job noch
einen weiteren Pluspunkt hatte: Er brachte sie mit vielen interessanten
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