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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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Likedeeler, und ich zog mich über die Kante. Schienen und Verstrebungen eines Lastenaufzugs, mit dem die Teile des Ætherlots hinauftransportiert worden waren, gähnten unter mir. An ihnen kletterte Roþblatt abwärts.
    „Ich bin über Ihnen!“, brüllte ich, als all der Schmerz einem unvernünftigen Triumphgefühl wich. „Sie springen besser sofort.“
    „Seien Sie nicht albern! Sie schaffen es niemals hier herunter!“ Doch seine Stimme war tatsächlich angsterfüllt, denn wenn ich fallen würde, würde ich ihn mitreißen. Das ahnend ergriff er die nächste Gelegenheit, während ich mich mit tauben Fingern an den eisernen Schienen festklammerte, und wich zur Seite auf ein Fenstersims aus, das sich sicherlich sieben Meter unter mir befand. Wegen meines ausgerenkten Arms verlor ich den Halt bereits, als ich mich vollständig über die Kante geschoben hatte, ich sackte hinunter, über einige der in die Mauer getriebenen Verankerungen abwärts – einen, zwei, drei Meter, bis meine Füße unsanft auf einem metallenen Haken Halt fanden, und ich die Finger, die an der rauen Mauer aufgerissen worden waren, am Gleis des Aufzugs festkrampfte. Meine Fingernägel waren abgerissen und blutig, doch ich ließ nicht los. Todesangst verengte mir die Kehle und für einen kurzen Augenblick presste ich mich nur gegen die Mauer – jeder irrwitzige Gedanke an Ynge und Roþblatt war verschwunden. Dieser jedoch hämmerte nun mit dem Spazierstock, den er sich mit einer Schlaufe an den Gürtel gehakt hatte, auf das vergitterte Fenster einer Spitalsetage ein, doch es öffnete sich nicht. Ich wagte einen Blick zu ihm herab, er sah mit buschigen, zusammengezogenen Augenbrauen hasserfüllt zu mir auf.
    „Ich werfe Ihre verrückte Puppe hinunter!“, kreischte er schließlich.
    „Das würde mich wundern. Haben Sie die Pläne mittlerweile gefunden?“, presste ich hervor. „Hatten Sie etwa Zeit, danach zu suchen?“
    Er grunzte wütend und hämmerte erneut gegen die Gitter.
    „Sie haben sich selbst ausgesperrt, Professor.“
    Ein Schatten drohte über mir. Mein Leben hing nun am seidenen Faden, und doch war es mir gleichgültig. Ich hatte geschworen, diesem Satan das Handwerk zu legen, und wenn es nur über meine Leiche möglich war, dann hatte Fosite das eben so gefügt. Störrisch machte ich mich auf den Weg, kletterte abwärts durch Schmerz und Wind und kalte Dämmerung, durch den heraufwehenden Lärm schreiender Menschen, Schüsse und Explosionen. Noch zwei Meter – noch einen. Meine Gliedmaßen wollten mir nicht mehr gehorchen. Ich würde mich auf ihn fallen lassen und ihn mit meinem Gewicht zum Absturz bringen. Wir würden zusammen fallen und an der Flanke des neben dem Turm aufragenden Eisberges zerschellen. Ich kicherte leise, als alles sich legte, Schmerz, Verzweiflung und die Grausamkeit meines Schicksals. Der Professor hatte Ynge in der Armbeuge an seinen Leib gepresst, und der Rest ihres Gesichts lächelte mir aufmunternd zu. „Ich lasse sie nicht allein“, schwor ich mir in diesem Augenblick. „Nie wieder springe ich ohne sie.“
    Als ich sprang, vorwärts katapultiert nicht durch meine versagenden Muskeln, sondern nur durch Ynges Lächeln, geschah etwas. Ich verstand in dieser Sekunde natürlich nicht, dass es ein Hakenwerfer war, der schräg über mir krachte, Mörtel und Steinsplitter platzten unter dem Aufprall ab und durchsiebten die Luft. Noch während ich sprang, verfing ich mich in dem Seil, das vorher noch nicht da gewesen war, doch meine Füße trafen den Professor an der Stirn. Er taumelte, ich packte mit meinem heilen Arm das Seil, das sich mit einem Haken in den widerstrebenden Aufzugskonstrukten in der Wand verfangen hatte und bremste damit meinen unweigerlichen Fall. Der Professor fiel ebenfalls, Ynge schien in der Luft zu hängen, und wir griffen beide nach ihr, er im Fallen, ich während sich meine Finger um das verdrillte Seil zu lösen drohten, während mein ganzes Gewicht an dieser einen gepeinigten Hand hing. Ich griff mit meinem verletzten, widerstrebenden, sich unsäglich langsam bewegenden Arm nach der Puppe und schloss gequälte Finger um ihren Leib. Doch auch Roþblatt, gierig sowohl nach den Plänen als auch nach dem Leben, das ihm winkte, solange er eine Möglichkeit fand, sich festzuhalten, packte ihre zarten bleichen Beine unter dem Kleidchen. Meine rudernden Füße fanden die Gitterstäbe des Fensters und einen Halt, um das schreckliche Gewicht halten zu können, das mich in die Tiefe
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