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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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wieder in zivilisierten Ländern bin.“ Ich lächelte, stand auf und klopfte an die Tür. Der Hausdiener ließ mich in den Korridor. „Ich denke, dieser Mann ist vollkommen ungefährlich. Ohne konkrete Anklage haben Sie außerdem eigentlich nichts in der Hand, um ihn festzuhalten“, sagte ich, während der unverschämt gutaussehende Diener die Tür schloss und wortlos mit den Schultern zuckte.

    Es gab wenig für mich auf Æsta zu tun. Das Arbeiterviertel, in dem Madame nach wie vor Opiumhöhle und Bordell betrieb, war nur wenig verheert worden – allerdings hatten manche Brände, die die Fabriken heimgesucht hatten, auch benachbarte Gebäude in Brand gesetzt, eisigen Untergrund geschmolzen und die Stadt auf dem Eisberg als teils skurrile Ruine zurückgelassen. Ich holte das Ölbild ab, wickelte es zusammen mit der Puppenscherbe in ein Tuch, und war bereit, die Insel zu verlassen. Æmelie wurde in einem Sarg – einem richtigen, hölzernen diesmal, auf die Frijheid getragen, und einige Menschen, deren Angehörige ebenfalls den Ambitionen des Professors zum Opfer gefallen waren, drückten ihre Anteilnahme aus. Ich sah bekannte Gesichter zum letzten Mal und bedankte mich mit einem Lächeln. Es hatte einen ökumenischen Gottesdienst und einige Begräbnisse auf dem Eisberg gegeben, doch Æmelie würde nicht hierbleiben, nicht an der Stätte, an der sie soviel hatte erleiden, so geduldig auf mich hatte warten müssen.
    Kanzlerin Elsbeð von Niederbroich verabschiedete uns. Ich trug einen sehr edlen Gehrock. Zusammen mit dem Spazierstock, den Eiken in der zerstörten Kuppel des Ætherlots gefunden und mir mit einem „Nichts für ungut“ übergeben hatte, sowie dem Zylinder, der sich noch an Bord des Luftschiffes befunden hatte, ergab sich jener feine Herr, den Margaret in mir gesehen hatte. Ich fühlte mich seltsam entrückt – die hagere Kanzlerin reichte uns zum Abschied die Hände und lächelte ihr schmales, falsches Lächeln, dann waren wir an Bord und winkten den Menschen Æstas zu – eine eigenartige Geste gegenüber einer Insel, die noch wenige Tage zuvor beschossen, zerbombt und verbrannt worden war.
    Tomke nahm meine Hand. Sie trug ein dunkles Kleid, und sie sah aus, als würde sie daraus hervorspringen und in die Weite des nördlichen Himmels davonfliegen. Ich hielt ihre Hand fest, damit sie bei mir blieb.
    „Werden die Friesen nun Æsta gehorchen?“, flüsterte ich.
    „Könntest du dir das vorstellen?“, erwiderte Tomke und lachte. „Aber lass uns die Kaperbriefe ein wenig ausnutzen, die die Gräfin uns gewährt. Nichts wird so schnell kalt wie politische Beziehungen.“

Epilog: Zwei Flügel

    Hautbild
    D as Geräusch der Nadelmaschine endet abrupt. Die Gesichter der beiden Frauen tauchen in meinem Blickfeld auf.
    „Ihr seid hoffentlich fertig.“
    „Zwei Flügel, Herr von Erlenhofen“, lächelt Margaret. Sie ist überglücklich darüber, dass mein Vertrauen in sie so groß ist. Aber ich denke, ihr Ærokopter verdient es, dass wir ihn fertigstellen.
    „Ich will dich auch nicht zu lange aufhalten, Margaret“, sage ich, denn ihr Blick gilt wieder Æmelies Plänen, die unter zwei Briefbeschwerern liegen.
    „Erwarte keine Wunder. So eine Erlenhofenzelle – bis ich die Gedanken deiner Frau verstanden habe, können Jahre ins Land gehen.“
    „Vielleicht wird die Gräfin schneller sein“, gibt Tomke zu bedenken und tupft mir mit einem Tuch den Rücken ab.
    „Möglich. Aber sie hat zu wenig Phantasie.“
    „Ich wünschte“, grinst Tomke und küsst mich auf die verwilderten Locken, „ich könnte Domeks dummes Gesicht sehen.“
    „Ich finde, die Skizzen haben einen gewissen künstlerischen Wert“, erwidere ich. „Aber die meisten Leute geben mittlerweile mehr auf Wissenschaft als auf Kunst.“ Domek jedenfalls besitzt nun ausgezeichnete Studien der Klippen Helgolands und der fliegenden Lummen. Ich hoffe, er weiß es zu schätzen.
    Mein Bild von Æmelie ist fertig.
    Ihren Leichnam und die letzte Scherbe von Ynge habe ich auf einem kleinen Friedhof in der Eyfalia bestatten lassen, und ich habe lange dort gesessen und nachgedacht und um sie geweint. Nur ein Priester war zugegen und ein Bestatter. Ihren Eltern habe ich einen Brief geschrieben – mit der Kutsche ist das Grab von Aquis aus einfach zu erreichen, und sie mögen es besuchen, wenn sie bereit dazu sind.
    Ich habe ihr Bild behalten, eines der wenigen vollkommenen Bilder, das mir jemals gelungen ist. Ernst blicken ihre Augen mich an, und
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