Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
Vom Netzwerk:
dass diese beiden Todfeinde sich in einem solchen Moment einig waren – es tröstete sie allerdings wenig, denn was kümmerte sie die Flotte der Friesen, wenn Naðan sein Leben lassen würde, hier, in der Hölle des Professor Roþblatt?
    „Er weiß es wirklich nicht, oder? Sagen Sie doch auch einmal was dazu, mein friesischer Freund! Sie haben ihn doch hergebracht! Sagen Sie mir, was ich jetzt mit ihm tun soll.“
    „Ich schlage vor, Sie geben mir das Geld, das Sie ausgesetzt haben, und dann lassen Sie mich mit solchen Entscheidungen in Frieden.“
    „Ja, ja. Vermutlich haben Sie recht. Bedauerlich, dass Ihr sicherlich kräftezehrendes Unterfangen, ihn herzubringen, so fruchtlos war. Herr von Erlenhofen, ich denke, ich werde Sie nun töten, wenn Sie mir nicht einen kleinen … kleinen Hinweis geben können.“
    „Ich fürchte, das kann ich nicht“, flüsterte Naðan und schloss die Augen. „Nein“, wollte die Puppe ihm sagen, „gib nicht auf!“
    Sie sagte es jedoch nicht. Sie sortierte ihre Gedanken. Die schnellen hier hin, die langsamen dort hin. Roþblatts Hand schloss sich um den Hebel, der die ganze Gewalt seiner monströsen Apparatur auf ihren Schützling loslassen würde. Eikens Stimme jedoch hielt ihn für den Moment von seinem anmaßenden Urteil über Leben und Tod ab.
    „Fosite richtet dich jetzt, aarem Knech“, sagte er zu Naðan und grinste, doch bei Roþblatt hatte er damit einen wunden Punkt getroffen.
    Dieser warf dem Friesen einen höhnischen Blick zu, packte das Monokel, das ihm vom Kragen baumelte und klemmte es sich dozierend unter die Augenbraue, als müsse er sein Gegenüber dafür besonders klar vor sich sehen.
    „Die Welt ist voll mit Narren, und doch wird die Zweckentfremdung ihrer Körper beklagt!“, seufzte er. „Wo doch nicht einmal ihr Geist zu etwas taugt. Ich würde ja sagen, das Aufwachsen unter friesischen Barbaren hat Sie zu einem tumben, abergläubischen Menschen gemacht, doch ich fürchte, auch in einem gebildeten Volk wäre nicht wesentlich mehr bei Ihnen herausgekommen.“
    „Sie sind ein ganz schönes Arschloch“, murmelte Eiken beleidigt, und die Wachen scharrten mit ihren Füßen, als würden sie nun auf den Befehl warten, sich auch des Friesen zu entledigen, doch der Professor lehnte sich zu diesem herüber und streckte einen langen Zeigefinger wie einen Rohrstock aus.
    „Die Wissenschaft tritt an die Stelle der alten Götter und Dämonen.“
    Hätte er einmal die Puppe gefragt, statt sie inmitten des Mantels auf dem Boden liegen zu lassen. Hätte er sie einmal gefragt, denn sie wusste es besser als er.

    Durch einen roten Schleier und durch all die tanzenden Punkte vor meinen Augen sah ich den Satan hinter dem blendenden Schein der Lampe. Er hatte sich von Eiken wieder abgewandt, und seine Hand streckte sich nach dem Hebel aus.
    Aus den Augenwinkeln konnte ich hinter dem Fenster eine Bewegung erahnen. Ein riesiger Schatten schien sich aus der Dunkelheit zu schieben, wie, um die höllische Niedertracht des Professors zu unterstreichen. Doch niemand sonst schenkte dieser Manifestation aus der Unterwelt Beachtung, und ich würde den Teufel tun, und sie darauf hinweisen. Der Moment war verstrichen und hatte mir nicht die Eingebung geschenkt, auf die ich wartete, um mein Leben zu retten. Seltsam war es, dass mir eiskalt war – oder vielleicht ist das stets im Moment des Todes so. Doch vor meinen Augen stieg mein Atem als Wolke auf, und das war in der Tat merkwürdig.
    Ich fragte mich, während sich meine Lider fest schlossen, ob ich auch durch den Mund einer Puppe sprechen würde.
    Nein, es war nicht Æmelie, die sprach. Was es auch war, es war nicht sie. Es sprach nur mit ihrer Stimme. Aber es war mir ein wahrer Freund.
    Die Kälte legte sich wie eine zweite Haut auf mich, die Temperaturen sanken so schnell, dass ich mit einem Aufschrei die Augen wieder öffnete. Das konnte nicht nur das Gefühl des nahenden Todes sein – etwas geschah! Eisblumen verschlossen knisternd die Glasscheiben, die den Raum ringsherum in zahlreichen Fenstern umschlossen – die elektrische Glühlampe flackerte, dann barst das Glas in einem Splitterregen, der mir auf Brust und Gesicht niederging und tauchte den Raum in eine Dunkelheit, die nur von einer Gaslampe erhellt wurde, die unter der Decke baumelte. Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Der Professor umfasste den Hebel und drückte ihn nach vorn, um meinem Leben ein Ende zu bereiten. Stattdessen jedoch schlossen sich seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher