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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks
Autoren: Helen Schulman
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aus der Karibik mit einem singenden Tonfall sowie einen flachsblonden WASP, einen weißen angelsächsischen Protestanten, der bereits im Blazer auf die Welt gekommen war. Der Rest war ein bunter Haufen von halbjüdischen Kindern. Wie Jake.
    »Ist vielleicht eine gute Möglichkeit, Leute kennenzulernen.« Richard nickte ermunternd.
    »Marjorie meint: ›Klar gibt es Diversität. Es gibt Millionäre … und dann gibt’s noch Milliardäre.‹«
    »Freut mich, dass du eine Freundin gefunden hast, Schatz«, sagte Richard. Als ob es auch hätte sein können, dass sie keine fand.
    Marjorie war geschieden, hatte schon einiges durchgemacht und daher genügend Einfühlungsvermögen, um einen Neuzugang willkommen zu heißen. Sie war ein winziges, drahtiges, wuseliges Geschöpf und wohnte ebenfalls an der Upper West Side, daher die Affinität zwischen den beiden Müttern. Ihre eigenen Kinder exportierte sie bereits seit Jahren auf die Wildwood-Schule in der Bronx und hatte deshalb definitiv einiges zu berichten. Ihre Zwillinge hießen Henry und James. Die Brüder hatten eine frappierende Ähnlichkeit, obwohl Henry eher schlaksig war und fein geschnittene Züge hatte, während das Gesicht von James fülliger wirkte, wie aus Zauberknete geformt.
    Henry, der nette Zwilling, war in null Komma nichts Jakes bester Freund geworden. Er gehörte zu den Kids, die sich ständig irgendwie den Arm brachen. Aber er war ein herzensguter Kerl, fand Liz.
    Henry war es auch, der Jake mit »seiner Gang« bekannt machte: McHenry, Davis und Django. Liz war erleichtert, dass Jake so schnell Freunde gefunden hatte, die ihn durch diesen fremden Stadtdschungel begleiten konnten.
    »Okay, Coco-Bärchen, Zähne putzen und dann nimm deine Sachen«, sagte Richard. Heute war einer der seltenen Tage, an denen er sie zur Schule brachte. Normalerweise war er inzwischen schon aus dem Haus, doch weil seine beiden Frauen heute auswärts übernachteten, wollte er noch ein halbes Stündchen mit seiner Kleinen verbringen und sie auf ihrem morgendlichen Schulweg begleiten.
    Liz stand wie ein Wachposten an der Tür, in der Hand Cocos Rucksack. »Na los, Coco«, rief sie. »Nun mach schon.« Im Waschbecken im Bad konnte sie das Wasser laufen hören.
    »Was hast du denn heute vor?«, erkundigte sich Richard, während er seine Aktentasche ordnete.
    »Yoga, Essen einkaufen, für heute Abend packen, Rechnungen, den Wagen zur Inspektion bringen, die blöden Gesundheitsfragebögen fürs Ferienlager … na, alles Mögliche«, zählte sie etwas abwehrend auf. Es gab eine Menge zu erledigen.
    Coco kam über den Flur gehüpft. »Bring aber auch meinen chinesischen Schlafanzug mit.« Sie hielt Liz die Stirn für einen Abschiedsschmatz hin.
    »Wird gemacht«, sagte Liz. Dann beugte sie sich zu Richard hin. »Hast du da nicht noch was vergessen?« Das sagte sie jeden Morgen und entlockte ihm damit bisweilen, so auch heute, einen mehr als nur flüchtigen Kuss.
    Es war herrlich, sie abziehen zu sehen und die Tür hinter ihnen zuzumachen.
    Und es war einfach himmlisch, in dieser beengten Wohnung einmal allein zu sein. Und doch war es seit dem Einzug fast jeden Tag so: Wenn sie Coco in der Schule abgeliefert hatte oder vom Yoga, Besorgungenmachen oder Kaffeetrinken zurückkam, warf sie einen Blick auf ihr unaufgeräumtes Heim und war überwältigt davon, was alles zu tun war und wie wenig Lust sie hatte, es zu tun. Der erste Schritt in einen noch formlosen, unstrukturierten Tag war immer der schwerste.
    Sie ging zu ihrem Laptop auf dem niedrigen Tischchen vor dem Sofa hinüber, wo sie ihn gestern am späten Abend stehen gelassen hatte, und tippte »feigenbaum/blogspot.com« ein.
    Nachdem sie die meisten Besorgungen erledigt hatte, saß Liz ein paar Stunden später auf den Marmorstufen vor der Wildwood-Grundschule, ihre alte Reisetasche und Cocos Barbie-Reiseköfferchen zwischen den Knien, und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um die warme Frühlingssonne aufzufangen. Köstlich weiches Licht drang durch ihre geschlossenen Augenlider – den ganzen Winter hatte sie sich danach gesehnt. Die Schule lag in den East Nineties. Zwischen den rauchgrauen Ästen der Bäume, die den Central Park an der Fifth Avenue säumten, und den leuchtend gelben Tupfern des Taxiverkehrs östlich davon auf der Madison, residierte sie in einer Kalksteinfestung, dem ehemaligen Heim irgendeines Räuberbarons. Vermutlich würde sie in naher Zukunft an einen Hedgefonds-Typen übergehen, sobald die
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