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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks
Autoren: Helen Schulman
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in Grenzen halten, damit die anderen Damen mit ihren Töchtern wenigstens ein bisschen Schlaf bekamen. Marsha und Kathy wohnten nebenan, Clementine und Sydney ein Zimmer weiter. Alle drei Zimmer zeigten auf die Fifth Avenue und die kleine Plaza hinaus, das Rondell mit dem Springbrunnen am Hoteleingang – also die Plaza des Plaza Hotels. Auf der anderen Seite ging ihre Ecksuite auf die 59th Street Richtung Sixth Avenue hinaus. Der Flur öffnete sich zu einem riesigen L-förmigen Wohnzimmer, das zur Hälfte den Blick auf den Central Park freigab, daran schloss sich ein langgestrecktes, üppig ausgestattetes Speisezimmer an, gefolgt vom Hauptschlafzimmer mit Bad, alles mit hohen Fenstern und einer Bilderbuchaussicht auf den Park, wie großformatige Landschaftsbilder in einer Kunstgalerie. Dieser zentrale Bereich der Suite sah genauso aus wie der, den Tony Soprano in einer Traumsequenz mal gemietet hatte, beteuerte Sydney. (Liz hatte die Serie nie geguckt, denn durch die Mutterschaft war ihr jeglicher Geschmack an Gewalt gänzlich vergangen.) Es war furchtbar überladen: alles in Goldglanz gebadet, die Kronleuchter einfach lächerlich und dazu lauter dicke Polstermöbel. Das Bad neben dem großen Schlafzimmer – dem von Juliana und Casey – war zweiteilig: Doppelwaschbecken, Toilette, Dusche und Bidet in einem Raum von der Größe einer Einzimmerwohnung, im anderen eine riesige Badewanne auf einem Marmorpodest wie auf einer gigantischen Kuchenplatte. Davor befand sich ein deckenhohes Panoramafenster mit, natürlich, Aussicht auf den Park. Die kuppelförmige Decke im Badewannenraum zierte eine Rokokoszenerie mit fetten Puttchen. Abends waren die echten Puttchen plötzlich alle miteinander in diesem Sprudelbad gelandet, erst bekleidet, dann nackt, nur mit Seifenschaum bedeckt – das alles auf Cocos Geheiß.
    Doch zuerst kam die Pediküre.
    »Wir bezahlen diesen koreanischen Ladys im Nagelstudio nicht genug«, hatte Sydney mit einem leichten Zwinkern zu Liz gesagt, war aufgestanden und hatte den pinkrosa Nagellack an Marsha weitergereicht. Es war ein ausgelassener, übermütiger Abend gewesen. Die Mütter hatten Sexgeschichten ausgetauscht, während die kleinen Mädchen sich gegenseitig Schönheitsbehandlungen verpasst hatten, mit besonders üppiger Augenschminke, bis sie aussahen wie Miniaturausgaben von russischen Nutten. Danach war es Coco schließlich gelungen, sie allesamt, selbst die verschlossene Clementine, in die Riesenwanne zu lotsen, in die sie die Gesamtbestände an hoteleigenem Schaumbad geschüttet hatte. All die dekadente Schönheit erinnerte Liz an die Elfen und Kobolde entlang der Allée d’Eau in Versailles – wie die nass glänzenden, kleinen Mädchen da zwischen den Schaumblasen herumhopsten und wie Seehundbabys planschten, während ihre Mütter im Kreis saßen, Champagner nippten und sich fragten, wann genau ihre eigene Jugend sie eigentlich im Stich gelassen hatte.
    Dann hatte es die Filme im Bezahlfernsehen gegeben – Kinderzeug für die Kinder – und noch mehr Müttergeschwatze. Es stellte sich heraus, dass Sydney in ihrem früheren Leben Wahlkampfberaterin gewesen war. »Von denen hat aber nie einer gewonnen«, bemerkte sie trocken. »Gary Hart, von wegen Siegertyp!« Trotzdem, dachte sich Liz, das war bestimmt aufregend. »Das war bestimmt toll«, sagte sie, und plötzlich bekam Sydney einen verschleierten Blick. »Es hat richtig Spaß gemacht«, meinte sie, »das gemeinsame Miteinander, das Bewusstsein, ein Ziel zu haben. Irgendwie war es toll, eine Aufgabe zu haben … aber dann hab ich geheiratet, Kinder bekommen«, sie lehnte sich hinüber – ihre scheue Kleine saß mit den übrigen Kindern auf dem Fußboden und guckte Herbie – Ein toller Käfer startet durch – und nahm Clementines Haar liebevoll zu einem glänzenden Pferdeschwanz zusammen, wickelte ihn mehrmals um ihre Faust. »Jetzt sind die vier eben meine Aufgabe.« Dabei drückte sie Clementine ein Küsschen auf den Kopf, bevor sie die langen seidigen Locken in einer Aufdrehung wieder löste, und Liz bemerkte – nicht zum ersten Mal übrigens –, dass aus der kleinen Clementine eines Tages bestimmt einmal eine große Schönheit werden würde.
    Die Frauen redeten und redeten. Über Schulen, Ferienlager, Immobilien, bis Liz glaubte, gleich würde ihr der Kopf vom Hals springen. Dann sanken die Mädchen auf einmal dahin, eins nach dem anderen. Wie Tulpen auf zarten Stängeln knickten sie allmählich um und schlummerten auf den
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