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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks
Autoren: Helen Schulman
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Frauen sonst je einen ganzen Abend zusammen verbracht. Zum Glück herrschte in der Gruppe eine fröhliche Stimmung. Beim Näherkommen konnte Liz förmlich fühlen, wie es vibrierte. All das Zuckerzeug, dazu die, wie es aussah, zwei Flaschen Champagner, die auf einem Beistelltisch in ihren Eiskübeln schwitzten, hatten eine wonnige Wolke von fröhlicher Geselligkeit geschaffen.
    »Hey, Ladys«, sagte Liz, die ankam, als gerade eine der Mütter einen Witz zum Besten gegeben hatte.
    In fast schlaftrunkener Überraschung blickten die Mütter von ihrem Gelächter auf. Vielleicht hatten sie schon ganz vergessen, dass Liz und Coco ja auch mit von der Partie sein würden.
    »Was hat das alte Miststück denn erzählt?«, wollte Casey wissen, sozusagen zur Begrüßung. In ihren Augen war der glückselig trunkene Glanz der Gastgeberin einer gelungenen Party zu sehen, wie eine Schicht transparenter Nagellack über der blauen Regenbogenhaut.
    »Sie hat uns zu Jane Perskey geschickt«, sagte Liz.
    Eine halbe Stunde hatten Liz und Coco auf einem alten blauen Samtsofa vor dem Büro der Schuldirektorin gewartet und eine weitere halbe Stunde auf dem ziemlich neuen burgunderroten Velourssamtsofa im Büro deren Porzellanschweinchen-Sammlung angestarrt. »Ich hab noch nie im Leben so viel Schweinchen-Nippes gesehen.«
    »Oh mein Gott«, keuchte Casey. »Wir haben Jane ein Limoges-Schwein geschickt, als wir Jules unbedingt in die Schule kriegen wollten. Als weihnachtliche Bestechungsaktion sozusagen. Sie hat es uns noch am selben Tag zurückgeschickt, mit einem entschiedenen Nein-danke. Schriftlich. Per Wagen mit Chauffeur. Ich war tief gekränkt, aber Jules haben sie dann trotzdem genommen.« Casey nippte an ihrem Champagner. »Wir hatten Glück. Juliana konnte die EZP inoffiziell machen, außerdem ist mein Mann ein dicker Sponsor. Die mussten sie einfach nehmen.« Die EZP: die Einstufungs- und Zulassungsprüfung, mit der die Kleinen sich für die Aufnahme in der Vorschulklasse qualifizierten. Zum Glück war Richards Arbeitgeber bei der Suche nach einem Platz für Jake und Coco behilflich gewesen und beteiligte sich auch am Schulgeld – ohne Einfluss in diese Schulen zu kommen, war fast unmöglich. Das hatte Liz von Marjorie erfahren. Nämlich, dass sie Glück hatte. Doch das war ja offensichtlich.
    »Sie wurde zu Perskey zitiert?« Sydney lachte. »Na, bravo! Da muss sie ja eine üble Missetat begangen haben, um dafür ins Allerheiligste zu gelangen.«
    Und ob! Diesmal hatte Coco dermaßen viele Ungezogenheiten an den Tag gelegt, einen wahrhaft bunten Fächer von Missetaten, dass Mrs Livingston sich für nicht zuständig befunden und Coco ins Büro der Schulleiterin geschickt hatte. So viel zum Thema fortschrittliche Erziehung.
    Oder vielmehr, so viel zum Thema Synthese fortschrittlicher und traditioneller Pädagogik im Lehrplan von Wildwood , dachte Liz.
    Hier also die Liste der Missetaten des Tages: Coco hatte 1) auf ihrer Höllenraserei zur Turnstunde ein anderes Mädchen aus Versehen (vielleicht) die Treppe hinuntergeschubst, was blutig endete (beide Ellbogen); 2) eine Wasserschlacht vom Zaun gebrochen – in der Knaben toilette. Am schlimmsten aber war, dass sie 3) schließlich auch noch in der freien Spielzeit vorn im Klassenzimmer auf Mrs Livingstons Schreibtisch gehopst war und gesagt hatte: »Niemand darf mit Juliana spielen.« Ganz recht, mit dem Geburtstagskind, ihrer abendlichen Gastgeberin, deren Mutter – dank der Krankenversicherungen diverser Dritte-Welt-Diktatoren – die happige Hotelrechnung bezahlte. Wieso machte Coco B. so was?
    Diese Frage stellte Liz ihr (ohne das B.) vor der einigermaßen verdatterten und dabei doch ziemlich abgebrühten Schulleiterin Jane. (Dass die Lehrerin mit Mrs angesprochen wurde, die Schulleiterin aber mit Vornamen, war bloß ein weiteres Beispiel für Wildwoods fein nuancierten Eklektizismus.) Laut Coco – Coco mit ihrem verschärften Sinn für soziale Gerechtigkeit – war jede Art von Bevorzugung gemein, vor allem, wenn Coco dabei nicht die Gewinnerin war.
    »Sie ist aber doch das Geburtstagskind, Coco«, sagte Liz. »Das tut man doch nicht, jemanden am Geburtstag ausgrenzen.«
    Es wurde beschlossen, dass Coco einen Entschuldigungsbrief schreiben würde, den sie Juliana vom Postamt der Schule aus schicken konnte – eine Maßnahme, die auf effektive Weise Mathematik, Kunst und Sozialwissenschaften miteinander verband. Denn je nachdem, wie viele Briefe jemand versandte oder erhielt,
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