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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
Autoren: Kelly McCullough
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gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre, eine formellere Verbeugung als eben diese hinzulegen.
    »Bin so schnell ich kann zurück, gnä’ Frau.«
    Auf dem Hof flackerten einige Laternen, gefüllt mit dem billigsten Öl, das für Geld zu erwerben war. Auf den Pflastersteinen bestand keinerlei Feuergefahr und damit auch keine Notwendigkeit für eine Magierlampe, was bedeutete, dass es dort draußen so dunkel war wie im Herzen des alten Königs Ashvik. Einige der gehobeneren Viertel konnten es sich leisten, die Hauptstraßen bei Nacht mit Magierlampen zu beleuchten, aber die Stolprer waren weit davon entfernt, als gehoben bezeichnet zu werden. In Nächten wie diesen, wenn der Mond seinem Nadir nahe war, gerieten sogar Augen, die die Dunkelheit so gewohnt waren wie meine, in Schwierigkeiten, und Jeriks Lampen lieferten gerade genug Licht, den Weg zum Abtritt zu finden.
    Ich schlüpfte hinein und tauschte so den Gestank einer Art von Scheiße gegen den einer anderen Art aus. Hätte ich die Wahl gehabt, ich hätte Hof und Pferd vorgezogen; aber ich benötigte Privatsphäre. Ich zog die Tür hinter mir zu und verkeilte sie mit einem kleinen Messer, das ich aus einer Scheide an meinem linken Handgelenk gezogen hatte. Hier drin war das Licht besser als im Hof, Licht, verbreitet von einer allmählich nachlassenden Magierlampe, die an der Decke festgenagelt war – zweifellos vom Nachtmarkt –, trotzdem kostspielig. Ich nehme an, Jerik hatte diese teure Variante gewählt, weil ihm nicht gefiel, was passierte, wenn Trunkenbolde die Löcher nicht mehr finden konnten, weshalb er ihnen so viel Hilfe wir nur möglich zuteil- werden ließ.
    Gestreng musterte ich meinen nun viel deutlicheren Schatten und herrschte ihn an: »Was führst du im Schilde?«
    Obwohl meine Arme regungslos an meinem Körper herabhingen, hoben sich die des Schattens, breiteten sich aus, bis sie aussahen wie Schwingen, während seine Beine zu etwas verschmolzen, was viel länger und schmaler war. Zählte man dann noch dazu, wie Kopf und Hals gleichermaßen flacher und länger wurden, ergab sich die Form einer Kreatur, die nicht einmal mehr entfernt menschlich aussah. Um genau zu sein, könnte ich es Euch nicht verübeln, wenn Ihr annehmen würdet, ausgehend allein von der Form und den Bewegungsabläufen meines Schattens, ich hätte mich in einen ziemlich kleinen und äußerst aufgewühlten Drachen verwandelt.
    Mein Schatten, um genau zu sein, der Finsterling, der in meinem Schatten hauste, legte den Kopf schief, und aus seinem Maul schoss ein schmaler Schatten in Form einer gespaltenen Zunge hervor, um meine Wange zu lecken. Das war Triss.
    »Ich will, dass du den Auftrag annimmst«, sagte er.
    Ich spreche von ihm als »er«, weil Triss in meinem Schatten lebt, und ich bin ein Mann. Zutreffender wäre vermutlich, »es« zu sagen, denn welchen Geschlechts kann ein Schatten schon sein? Seine Stimme, die an Rauch und Sirup gemahnte, untermauerte noch die Doppeldeutigkeit, bewegte sie sich doch mittig zwischen Tenor und Kontralto.
    »Warum?«, fragte ich ihn.
    »Weil du pleite und gelangweilt bist, und wenn du arbeitest, säufst du nicht so viel.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das kaufe ich dir nicht ab, Triss. Das war bei dem letzten Dutzend Angeboten nicht anders, aber keines davon hat dich veranlasst, so aus der Deckung zu kommen, wie du es gerade getan hast. Das ist gefährlich. Was, wenn dich jemand gesehen hat?«
    Triss bäumte sich auf. »Seit wann interessiert es dich, ob etwas gefährlich ist? Ich kann die Gelegenheiten gar nicht zählen, zu denen uns deine leichtsinnige Haltung hinsichtlich der Aufträge, die wir in den letzten fünf Jahren übernommen haben, beinahe umgebracht hätte!«
    »Das ist was anderes. In Erfüllung der Pflicht den Tod zu finden, ist ein Risiko, das einzugehen ich von jeher bereit war. Mitten in einer Taverne in die Mangel genommen und ans Verrätertor genagelt zu werden oder dem Sohn des Himmels zur Belustigung zu dienen ist ein Tod für verdammte Dilettanten! Willst du, dass unser Vermächtnis so aussieht?«
    »Im Gegensatz zu was?«, konterte Triss und flatterte aufgeregt mit den Schwingen. »Dazu, bei der Auslieferung eines gestohlenen Gemäldes an den Käufer getötet zu werden? Du willst doch nicht ernsthaft die Gefahren der vergangenen fünf Jahre mit dem Risiko vergleichen, im Zuge einer Mission im Namen der Göttin zu Tode zu kommen. Würde uns jemand an den König von Zhan verhökern oder an den so genannten Sohn
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