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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf
Autoren: Michael Fleischhacker
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über
Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer
. Er stellt darin fest, „dass neben den höchstentwickelten Mitteln, Methoden und Formen des Nachrichtenverkehrs in den Kulturstaaten auch die einfachsten Urformen bei verschiedenen Naturvölkern noch heute im Gebrauch sind […]. Andererseits ergibt sich gewissermaßen als Grundsatz der Entwicklung des Nachrichtenwesens, dass die einfachsten Mittel, Formen und Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und brauchbar befunden worden sind, auch von den vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden können, sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden können, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.“
    Die medienwissenschaftliche Umdeutung von Riepls These, die sich ursprünglich auf sehr basale, teils ritenhafte Kommunikationsweisen bezogen hatte, ist ziemlich problematisch. Wo sind die handgeschriebenen „newen zeytungen“ geblieben, die am Beginn der Gutenberg-Galaxis standen und sich nicht mehr als ein paar Jahrzehnte halten konnten? Wo die gedruckten Kalender früherer Tage, die durchaus Mediencharakter aufwiesen? Wo ist der Telegraf als persönliches Informationsmedium geblieben?

    In dieser Dissertation von 1913 versteckt sich die Hoffnung: das „Riepl’sche Gesetz“.
    Aber die Branche hat sie gerne angenommen und daraus das „Unverdrängbarkeitsgesetz“ gemacht, von dem sie inbrünstig hofft, dass es auch diesmal, angesichts der Bedrohungen durch die digitalen Medien, erfüllt werden wird. Man hat sich eine eindrucksvolle Beweiskette zurechtgelegt: Als das Radio aufkam und den Zeitungen das Nachrichtenmonopol streitig machte, verlegten sich die Zeitungen auf Hintergrundberichte, vor allem aber auf lokale Nachrichten. Als das Fernsehen aufkam und dem Kino der baldige Tod prophezeit wurde, wandelte sich das Kino zum Anbieter von Gemeinschaftserlebnissen. Also wird die Zeitung auch nicht vom Internet getötet werden, sondern sich unter dem Veränderungsdruck des neuen Mediums wandeln, und zwar zum ausgeruhten Analysen- und Meinungs-Edelprodukt, das Ergänzungen – man nennt Riepls angebliches Gesetz ja auch eine „Komplementaritätstheorie“ – zum schnellen, trashigen Netz bietet.
    Ganz so wie damals, als das Radio aufkam. Lässt sich die Geschichte mithilfe des Riepl’schen Gesetzes wirklich wiederholen? Nein, die Zeitung als täglich gedrucktes und verteiltes Produkt wird nicht überleben. Das bedeutet nicht, dass im von Philipp Meyer vorausgesagten Jahr 2043 oder zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt weltweit keine gedruckte Tageszeitung mehr erscheinen wird. Wie in jedem Markt, dessen Rahmenbedingungen durch technologische Innovationen mit disruptivem Charakter verändert werden, werden wir zunächst eine Phase der Konsolidierung sehen, in der ein Teil der Marktteilnehmer aufgeben und ein Teil mit größeren, finanzstärkeren Unternehmen fusioniert wird.
    Als historisches Vorbild kann die Entwicklung in den Vereinigten Staaten dienen: Als dort die lokalen TV-Stationen begannen, im großen Stil Werbeerlöse zu generieren, kam es in fast allen Zeitungsmärkten – das sind und waren in Amerika nahezu alle großen Städte samt Umland – zu Monopolbildungen. Waren zuvor in so gut wie allen diesen Märkten zwei unterschiedlich positionierte Blätter erschienen, so ließ sich mit dem, was das Fernsehen vom Werbekuchen übrig ließ, jeweils nur noch eine Zeitungsorganisation finanzieren.
    Die deutschsprachigen Regionalmärkte sind schon jetzt zum überwiegenden Teil Monopolgebiete. Der Trend zur Konsolidierung wird sich also auch hier in nächster Zukunft auf den überregionalen Märkten zeigen. Die Sieger in diesem Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb gewinnen vor allem eines: Zeit. Zeit, in der sie jene neuen Geschäftsmodelle entwickeln können, die es ihnen erlauben, das „Prinzip Zeitung“ am Leben zu erhalten, wenn das „Produkt Zeitung“ nicht mehr existiert.
Todesursachen
    Dass das „Produkt Zeitung“ sterben wird, hat, wie jedes Sterben, eine Vielzahl von Gründen. Aber wie bei jedem Sterben lassen sich auch in diesem Fall einige Hauptursachen identifizieren.
    Eine ist, dass der Inhalt, den die gedruckte Tageszeitung transportiert, auf anderen Wegen schneller, einfacher, billiger und vor allem den Konsumbedürfnissen des Publikums und den Kommunikationsbedürfnissen der Werber
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