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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße
Autoren: Kurt Mahr
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Zweiggestrüpp, das er auf den Chronographen gehäuft hatte. Er räumte es beiseite und öffnete das Luk mit Hilfe des Impulsgebers. Aufatmend schob er sich ins Innere der Zeitkapsel.
    Die nötigen Handgriffe waren trotz der Erregung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, in wenigen Augenblicken getan. Nach der Aktivierung des Hüllfelds würde der Weltenvektor, der auf das »Ereignis« Jake Wedell zeigte, in allen vier Komponenten wieder annähernd denselben Wert annehmen, den er vor zwei Tagen besessen hatte: Green Belt, Maryland, 26. April 2023. Rumpelnd und polternd sprang der Generator an. Surrend und summend erwachten die Projektoren zum Leben. Jake Wedell lehnte sich vornüber und bettete die Stirn in die Hände.
    Minuten vergingen. Dann verlor das Geräusch der Maschinen an Lautstärke. Jake horchte auf. Er war am Ziel. Die Kontrollampe auf der Konsole war erloschen. Er konnte das Luk öffnen.
    Nur – an welchem Ziel war er? Was wartete draußen auf ihn? Er blieb eine Minute lang sitzen in der Hoffnung, der Empfänger werde schließlich doch zum Leben erwachen und Pete Janssens vertraute Stimme übertragen, die den eigenwilligen Experimentator willkommen hieß – oder seinetwegen auch nicht willkommen hieß, sondern ihn verfluchte und verdammte, ihm Vorwürfe machte … es war ihm ohnehin alles recht, wenn er nur Pete Janssens Stimme hörte.
    Aber der Empfänger schwieg. Jake Wedell stand auf. Bis zum Luk hatte er nur einen Schritt zu tun, größer war der Innenraum der Zeitkapsel nicht. Zögernd betätigte Jake den Öffnungsmechanismus. Es gab ein scharfes, häßliches Zischen …
     
    Jake F. Wedell starb innerhalb weniger Sekunden an den Folgen der explosiven Dekompression. Die Welt, auf der er gelandet war, mochte die Erde sein oder nicht – auf jeden Fall befand sie sich, was die Komponenten des Weltenvektors anbelangte, an derselben Stelle, an der sich bei Jakes Abreise von Green Belt die Erde befunden hatte. In diesem Fall jedoch war die Erde ein öder, luftleerer Himmelskörper, auf den das nackte Schwarz des Weltalls herabstarrte, unbeschadet des grellweißen Sonnenlichtes, das das graue, vegetationslose Felsgestein mit höllischer Hitze überzog.
    Die Zeit, wie Pete Janssen schon geahnt hatte, war keine Straße. Sie war zumindest eine Ebene, wenn nicht sogar ein Gebilde höherer Ordnung. Und von den nahezu unendlich vielen möglichen Richtungen hatte Jake F. Wedell beim Rückweg eine nicht besonders günstige eingeschlagen.
    Wie jeder, der auch nur ein bißchen von Statistik versteht, ihm hätte voraussagen können …

 
Armer Paul
     
    Am 28. Mai 1964 traf Paul Danbury nach längerer Reise in Manchester, Connecticut, ein. Seine Reise war auf die Stunde genau einhundert Jahre lang gewesen. Am 28. Mai 2064 war Paul Danbury in Manchester, Connecticut, aufgebrochen. Er landete im Wald unterhalb der Kuppe von Lookout Mountain, wie er geplant hatte. Der Anblick überraschte ihn. Von dem Campingplatz, der sich in seiner Zeit an dieser Stelle befand, war noch nichts zu sehen. Natürlich hatte er das im voraus gewußt; denn diese Reise war sorgfältig vorbereitet worden. Trotzdem verblüffte es ihn, an einer Stelle, an der sich in einhundert Jahren Kinder tummeln und Papierkörbe, Picknick-Tische und Zelte befinden würden, dichten Wald vorzufinden.
    Das Fahrzeug, in dem er seine Reise bewältigt hatte, besaß wenig Ähnlichkeit mit der Vorstellung, die der Mensch normalerweise mit einem Fahrzeug verbindet. Es bestand aus einem metallenen, aufrechtstehenden Zylinder mit einem Durchmesser von zwei und einer Höhe von knapp drei Metern, ein ziemlich plumpes Ding also, das an seiner Oberfläche keinerlei Gliederung aufwies und der Räder, die man sonst an einem Fahrzeug zu finden erwartet, gänzlich entbehrte.
    Dies war Paul Danburys Zeitmaschine. Der Zylinder besaß eine Tür, durch die man ins Innere oder auch von innen nach draußen gelangen könnte, je nach dem, was die Lage erforderte. Über die Funktion der Zeitmaschine wußte Paul Danbury so gut wie nichts. Er hatte sie gestohlen, und einhundert Jahre zeitabwärts war in diesem Augenblick eine wilde Jagd nach dem tollkühnen Einbrecher im Gang, der es gewagt hatte, am hellichten Tag mit einem Lastwagen in den Hof des von der Regierung finanzierten »Advanced Research Laboratory« zu fahren und unter Vorzeigen gefälschter Papiere die Auslieferung eines Metallzylinders aus der Projektreihe Paraphysics I zu verlangen. Natürlich hatte die Sache nur
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