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Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Autoren: Kim Kestner
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Sitzfläche, über dem einige Kleidungsstücke hängen, mein apfelgrüner Teppich mit dem ärgerlichen dunklen Fleck am Rand, den ich unter einem hoch getürmten Magazinstapel verstecke. Den Fleck habe ich natürlich Jeremy zu verdanken oder genauer gesagt: seiner Kakao-Vorliebe. Eigentlich hat mein Bruder nichts in meinem Zimmer zu suchen, trotzdem nutzt er jede Gelegenheit dazu rumzuschnüffeln und sein Spielzeug hereinzuschleppen. Seit er letzten Monat mein Tagebuch gelesen hat, trägt es zur Sicherheit ein Schloss. Außerdem steckt es jetzt zwischen meinen Schulbüchern, die er mit Gewissheit nicht anfasst. Sie stehen neben einigen gerahmten Familienfotos von uns auf dem Schreibtisch.
    Alles scheint unverändert. Aber die Zahl auf dem Wecker ist eine andere: kurz nach acht. Da wird mir klar, was mich hat hochschrecken lassen: Es ist viel zu still für diese Zeit.
    Schläft Jeremy noch? Oder streift er schon wieder durch den Wald, mit dem sinnlosen Versuch beschäftigt, ein Eichhörnchen zu fangen? Verrückt!
    Aus dem Untergeschoss höre ich Geschirr klappern. Mum deckt den Tisch, was sie nur tut, wenn auch Dad zu Hause ist und Zeit für ein gemeinsames Frühstück bleibt. Einen Moment später zieht auch schon der Duft von Pancakes in mein Zimmer und ich schlüpfe schnell aus meinem Entenpyjama, streife mir nur Jeans und ein verwaschenes Shirt über, damit ich am Tisch bin, bevor Jeremy mir alles wegfuttert. Er kann Berge von Pancakes in Windeseile verdrücken.
    Jede der Treppenstufen knarzt und obwohl ich unser altes Holzhaus liebe, würde ich manchmal gern mit Carissas traumhaftem Stranddomizil tauschen.
    Unsere Küche ist altmodisch, aber gemütlich, und wie fast alles in unserem Haus aus Holz. Dad arbeitet in dem letzten verbliebenen Sägewerk von Mill Valley, und nicht selten stapeln sich krumme, zerspante oder sonst wie unbrauchbar gewordene Bretter auf seinem Pick-up, wenn er am Spätnachmittag den ausgefahrenen Waldweg zu unserem Haus heruntergerumpelt kommt. Er kann den Gedanken nicht ertragen, einer der gigantischen Redwood-Bäume sei umsonst gestorben. Daher verbringt er nicht selten seine Wochenenden im Schuppen, um irgendetwas aus den Holzabfällen zu bauen. So ist auch unsere Küche entstanden. Aber Mum hat sie am letzten Wochenende bunt angestrichen, weil sie meinte, kein naturbelassenes Holz mehr sehen zu können. Seitdem ist Dad noch wortkarger als sonst, und als ich in die Küche komme, sitzt er, eine aufgeschlagene Zeitung vor dem Gesicht, am Tisch und brummt: »Morgen.«
    Ich drücke ihm einen Kuss auf die kahle Stirn. »Guten Morgen, Mops.«
    Er schaut mich an und grinst. Ich schätze, Dad mag es, wenn ich ihn Mops nenne, auch wenn sein beachtlicher Bauch die Schuld an dem Namen trägt.
    »Ist er immer noch stinkig?«, frage ich Mum und deute auf einen türkisfarbenen Schrank, aus dem sie gerade drei Teller nimmt.
    »Kein Mensch kann immer nur braun sehen, erst recht nicht, wenn er die ganze Nacht arbeitet und ins Dunkle starrt«, antwortet sie und reicht mir die Teller.
    Wie müde sie aussieht … Ich werde heute mit Jeremy in den Wald gehen, damit Mum ein wenig Schlaf nachholen kann. Seit einiger Zeit muss sie nachts an einer Mautstation der Golden Gate Bridge arbeiten, denn seit Mill Valley zu einem der lebenswertesten Orte der Staaten gewählt wurde, sind die Kosten für Lebensmittel, Benzin, sogar für Toilettenpapier derart gestiegen, dass Dads Lohn nicht mehr ausreicht.
    Mum unterdrückt ein Gähnen, stellt den Sirup auf den Tisch und zupft an meinem grauen Shirt. »Du könntest aber auch ein bisschen Farbe vertragen, Hoppihasi. Immer diese dunklen Sachen. Das passt doch gar nicht zu dir.«
    »Nenn mich nicht Hoppihasi!«, fauche ich und ziehe meine Oberlippe hoch, um deutlich zu zeigen, dass sich meine Lücke zwischen den Schneidezähnen, der ich meinen Spitznamen zu verdanken habe, fast geschlossen hat. Doch als ich sehe, dass Mum anscheinend vor Müdigkeit sogar Jeremys Gedeck vergessen hat, bereue ich meine Worte und decke den vierten Teller dazu. »Hoppihasi ist okay, Mum. Mach dir keine Gedanken.«
    Meine Mutter lächelt dankbar, dann öffnet sie die Briefe, die mein Dad zusammen mit der Zeitung ins Haus geholt hat.
    »Stromrechnung; die Versicherungsunterlagen für den Pick-up; du meine Güte, schon wieder neue Schulkleidung …«, murmelt sie, während sie die Umschläge in den Mülleimer fallen lässt und Dad die Briefe über den Tisch zuschiebt, »und - ach … kennst du
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