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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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er fand, was er gesucht hatte: eine Visitenkarte mit dem Emblem der Polizei und dem Namen Giovanni Marti, Detektivwachtmeister.
    Marti war der Beamte gewesen, mit dem er damals am meisten zu tun gehabt hatte. Ein freundlicher, ruhiger Mann Ende fünfzig, den sein Beruf, wie er Taler einmal gestand, »leider empfindlich statt abgestumpft gemacht hat«. Er war der Einzige, mit dem Taler noch Kontakt hatte. Er hatte ihm versprochen, ihn auf dem Laufenden zu halten. Peter dürfe ihn auch immer ungeniert anrufen.
    Er wählte die Handynummer, die auf die Karte gekritzelt war.
    »Ich habe Ihren Anruf erwartet«, sagte Marti. »Ich hätte mich auch gemeldet, sobald wir mehr wissen.«
    »Irgendetwas können Sie bestimmt schon sagen.«
    »Der Fall weist Ähnlichkeiten auf: Niemand hat etwas gehört, niemand hat etwas gesehen, niemand kann sich ein Motiv vorstellen. Aber wir sind noch ganz am Anfang.«
    »Und die Waffe?«
    »Auch zu früh. – Aber sicher nicht dieselbe. Anderes Kaliber, zweiunddreißig.«
    Taler schwieg.
    Wie zur Ermutigung fügte der Wachtmeister hinzu: »Zweiunddreißig wird aber auch als Sportmunition eingesetzt.«
    »Dieses Schwein!«, stieß Taler hervor.
    »Wie gesagt: Wenn ich mehr weiß, melde ich mich.«
    Sie legten auf. Taler ging zu seinem Posten am Fenster.
    Der Lancia der neuen Mieter stand auf seinem Parkplatz. Die Frau hob das Baby, dessen Weinen jetzt manchmal durch die Nacht drang, aus der Babyschale. Der Mann war damit beschäftigt, Einkaufstaschen aus dem Kofferraum zu holen. Er hatte rotes Haar, das so weit hinten ansetzte, dass es aussah wie ein verrutschtes Babykäppchen.
    Hinter der Familie, auf der anderen Straßenseite, trat Knupp aus dem Garten. Er trug eine braune, schlabberige Kordhose, einen grünen Pullover und ein ausgebeultes Tweedjackett. Er hatte eine abgewetzte, ehemals rote Einkaufstasche in der Hand. Taler wusste, dass sich darin eine zusammengerollte gemusterte Nylontasche befand. Knupp benutzte sie meistens zusätzlich auf dem Rückweg von seinen Einkäufen.
    Der Alte trat aufs Trottoir und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Juanitos mied er. Vielleicht war er ihm zu teuer, oder vielleicht wollte er keinen Nachbarn begegnen und mit ihnen ein Wort wechseln müssen.
    Peter sah der hinkenden Gestalt nach, bis sie in der Kurve verschwunden war.
    Der Gustav-Rautner-Weg lag wieder still da. Wie das Spiegelbild auf einem glatten See, kurz vor dem Steinwurf.
    Es gab nicht viele Orte, wo sich der Mörder hätte verstecken können. Knupps Hecke, die verzinkten Müllcontainer, die geparkten Autos, die drei immergrünen Büsche am Rand des Plattenwegs, der von den Briefkästen zum Hauseingang führte. Die Polizei ging davon aus, dass der Täter motorisiert war und Laura im Auto verfolgt oder erwartet hatte.
    Ein Rauhhaardackel überquerte die Straße und ging auf Knupps Gartenzaun zu. Er gehörte zu einer Wohnung der Mehrfamilienhäuser in der zweiten Reihe, Peter Taler kannte sogar seinen Namen: Joggi.
    Der Hund schnupperte am Zaun, hob das Bein, beschnupperte seine eigene Markierung, hob das Bein nochmals und ging befriedigt weiter.
    Und plötzlich war es wieder da, das Gefühl, dass etwas anders war.
    Das Stativ mit Lauras Kamera stand noch am selben Ort. Peter machte ein paar Fotos, nahm die Speicherkarte heraus, startete ihren Computer und schob die Karte in das Lesegerät. Das Fotoprogramm importierte die Bilder.
    Das erste zeigte ihn selbst. Er saß lächelnd und unrasiert im Bett, auf den Knien ein Frühstückstablett mit Croissants, Orangensaft, Kaffee, einem kleinen Geschenkpaket und einer Brioche, in deren Mitte eine brennende Kerze steckte.
    Das Bild war am vierten Mai aufgenommen, seinem einundvierzigsten Geburtstag. Laura hatte ihn mit einem Frühstück im Bett überrascht. Im Päckchen war ein Moleskin-Notizbuch gewesen, in das er, so stand es in der Widmung, nur Erfreuliches hineinschreiben durfte. Es fanden sich drei Einträge darin, der letzte vom siebzehnten Mai, ihrem Todestag: »Das Hoch Isidor hat den Frühling gebracht.« Er hatte das Geschenk und vor allem die damit verbundene Auflage etwas dämlich gefunden und den Eintrag nur ihr zuliebe notiert.
    Es gab noch mehr Fotos von diesem Geburtstagsmorgen, auch eines, das er aufgenommen hatte. Laura, nur mit einem Slip bekleidet. Das Geburtstagsfrühstück war nämlich noch richtig schön geworden. Sie waren beide zu spät zur Arbeit erschienen.
    Danach kamen die Fotos von der Fensteraussicht. Es waren
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