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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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Gefallen getan, sich von ihm zum Lachen bringen zu lassen. Und danach hatte er Kübler einmal ausdrücklich gebeten, ihn »mit seinem Scheißhumor in Frieden zu lassen«. Der führte dies zwar auf Talers Schicksalsschlag zurück, aber er trug es ihm dennoch nach. Er brachte und holte die Belege kommentarlos und machte den Mund nur auf, wenn es absolut nicht zu vermeiden war.
    Aber diesmal sagte er: »Scheißwetter.«
    Peter wandte den Blick vom Bildschirm und sah Kübler an. Er war klein, korpulent und rotblond, trug eine offene Lederjacke und ein grünes T-Shirt mit dem Firmenemblem von Feldau & Co. Er hatte die Belege in den Eingangskorb gelegt und sah aus, als warte er auf eine Antwort.
    Taler zuckte mit den Schultern. Das Wetter war ihm egal.
    Aber Kübler gab nicht auf. »Gestern beinahe Frühling – und jetzt das.«
    Nun nickte Peter Taler. »Stimmt«, murmelte er, »und jetzt das.«
    »Also dann«, sagte Kübler und ging.
    Etwas war anders. Auch hier.
    Die vier Parkplätze waren noch leer. Der Regen hatte die Vertiefung im Asphalt gefüllt, und die große Pfütze zwang ihn, wie an jedem Regentag, zum Aussteigen über den Beifahrersitz zu klettern.
    Die Tragetasche aus Papier war nass geworden. Er musste sie auf dem Arm bis zur Haustür tragen und lächerliche Verrenkungen machen, um den Hausschlüssel aus der Hosentasche zu fischen. Er glitt ihm aus der Hand, und als er ihn aufhob und sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf Knupps Haus.
    Der alte Mann stand reglos zwischen den beiden Apfelbäumen. Er trug eine feldgraue Militärpelerine und stützte sich auf einen Spaten. Sobald er bemerkte, dass Taler ihn gesehen hatte, wandte er sich ab.
    Als Peter kurz darauf aus dem Fenster sah, steckte der Spaten am Rand des Gemüsebeets. Knupp war verschwunden.
    Er brachte die Einkäufe in die Küche: Bier, Tomaten, Spaghetti, Basilikum, Parmesan, Olivenöl, Salat, Rotwein. Er hatte vor, wieder das gleiche Essen wie am Vortag zu kochen. Vielleicht half es ihm heute, herauszufinden, was anders war.
    Frau Gelphart war da gewesen. Das Spülbecken glänzte, der Geschirrlappen hing gefaltet über dem Wasserhahn, im Mülleimer steckte ein frischer Plastiksack, das Geschirr von gestern war gespült und eingeräumt. Und es roch nach dem Putzmittel, das sie immer benutzte, weil sie seinen Geruch mochte.
    Frau Gelphart wohnte im Nachbarhaus der zweiten Reihe seit 1972, dem Jahr, in dem ihr Mann die Hauswartsstelle für die Siedlung angetreten hatte. Laura hatte sie als Putzfrau eingestellt, und er hatte sie behalten. Wie alles, was ihn an Laura erinnerte.
    Frau Gelphart kam zweimal die Woche und bestand zusätzlich auf einem Frühjahrsputz, bei dem man ihr helfen musste, die schweren Möbel zu verschieben. Seit Laura nicht mehr da war, bemutterte sie ihn. Wusch seine Wäsche, stellte Blumen in eine Vase, brachte ihm ihr übriggebliebenes Pot-au-feu, von dem sie wohl absichtlich zu viel kochte, und ermunterte ihn, doch mal wieder auszugehen.
    Von ihr kannte er die Geschichten seiner Nachbarn. Zum Beispiel, dass Knupp zweiundachtzig war, pensionierter Lehrer, Witwer seit über zwanzig Jahren und nach dem Tod seiner Frau immer eigenbrötlerischer.
    Taler legte Back to Black von Amy Winehouse auf, holte sein erstes Feierabendbier aus dem Kühlschrank und stellte sich ans Fenster.
    Das Gefühl, dass etwas anders war, war noch immer da. Es war nicht der Spaten am Rand des Gemüsebeets. Auch nicht der eintönige Regen.
    An Lauras letztem Tag hatte es nicht geregnet. Es war ein frühlingshafter Tag gewesen. Er hatte gekocht, obwohl sie an der Reihe gewesen wäre. Sie hatte angerufen und gesagt, dass sie sich verspäten werde. Und er hatte gesagt: »Macht doch nichts, dann koche eben ich. Spaghetti. Okay?«
    Sie war überrascht gewesen, denn so konziliant war er sonst nicht.
    Er bereitete die Tomatensauce zu, deckte den Tisch, entkorkte den Wein, brachte das Wasser zum Kochen und drehte die Herdplatte wieder aus, damit er es, sobald sie kam, in einer Minute wieder am Siedepunkt hatte. Dann stellte er sich ans Fenster und wartete.
    Laura ließ sich Zeit. Spätestens um sieben wollte sie eigentlich zu Hause sein. Peter stand am Fenster und sah zu, wie die Dämmerung hereinfiel und nach und nach schon Lichter angingen. Während dieser Zeit musste ihm das aufgefallen sein, woran er sich jetzt nicht erinnern konnte.
    Um Viertel vor acht wählte er ihre Handynummer. Sie antwortete nicht.
    Danach begann er sich Sorgen zu machen. Um Viertel
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