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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)
Autoren: Mandy Kopp
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Kontakt zu mir und anderen ehemaligen Jasmin-Mädchen aufgenommen hatten, luden sie mich und die anderen vor. Ein halbes Jahr nach Beginn der Ermittlungen wurden wir nach Dresden bestellt, um zu schildern, woran wir uns erinnern. Aber die Ermittlungsverfahren gegen die verdächtigen Leipziger Honoratioren wurden eingestellt.
    Wir warteten gemeinsam im Flur des Gerichtsgebäudes, bis ich ins Vernehmungszimmer gerufen wurde. Die Tür ging auf, ein auf den ersten Blick sympathischer älterer Herr trat heraus und gab jedem von uns die Hand. Er stellte sich als Oberstaatsanwalt Wilhelm, leitender Ermittler in Sachen Sachsensumpf, vor. Er war verwundert, dass mein Anwalt mich begleitete. Es handle sich doch nur um eine Zeugenvernehmung, dafür sei kein Rechtsbeistand nötig. Jens entgegnete lächelnd, er sei in erster Linie als moralische Stütze für mich hier. Arndt und Thomas hatten mir geraten, nicht allein zur Vernehmung zu gehen. Mit ihnen hatte ich kurz über das, was in Dresden wohl auf mich zukommen würde, gesprochen. Die beiden kannten die Faktenlage so gut wie kaum ein anderer Journalist, und ich vertraute ihnen, weshalb ich ihren Rat annahm, ohne weiter nachzufragen. Während sie daran zweifelten, dass diesmal wirklich eine lückenlose Aufklärung erfolgen würde, war ich voller Hoffnung. Zum Abschied hatten sie mir mit auf den Weg gegeben, ich solle mich nicht verunsichern lassen. »Es gibt nichts, mit dem man mich verunsichern könnte, solange ich die Wahrheit sage. Alles erzähle, was ich weiß, alles, woran ich mich erinnere, und klar sage, woran nicht. Die Wahrheit kann man nicht verbiegen, und beugen kann man sie auch nicht.« Naiv, ich war vollkommen naiv.
    Nachdem geklärt war, dass mein Mann später ebenfalls kurz vernommen werden sollte, da er mich 1994 zur Verhandlung gegen Kugler begleitet hatte, betrat ich mit Jens das Vernehmungszimmer. Dort stellte uns der Oberstaatsanwalt seinen Kollegen, Staatsanwalt Müller, vor. Er saß hinter einem Schreibtisch und wirkte beschäftigt.
    Bevor die Befragung begann, äußerte der Oberstaatsanwalt seinen Unmut darüber, dass er die Jasmin-Akte noch einmal hatte öffnen müssen. Er lief im Zimmer auf und ab und meinte, der Zuhälter sei damals rechtskräftig verurteilt worden und habe seine Strafe verbüßt. Man könne in Deutschland nicht zweimal wegen des gleichen Vergehens angeklagt werden, das sei Strafklageverbrauch. Und überhaupt, der ganze Wirbel sei letztlich nur »übereifrigen Journalisten« zu verdanken. Meine Zuversicht bekam einen ersten Knacks. Vielleicht war er einfach nur überarbeitet und hatte einen stressigen Tag gehabt?
    Ich musste zunächst Fragen zu meiner Person und meinem beruflichen Werdegang beantworten. Ich erzählte, dass ich nach meinem Schulabschluss Büroassistentin und Buchhaltung auf einer Abendschule gelernt und von 1997 bis 2000 die Geschäftsleitung in der Firma meines Mannes übernommen hatte. Danach sei ich fünf Jahre lang in einem medizinischen Labor tätig gewesen, inzwischen sei ich freischaffende Künstlerin.
    Nach der Belehrung über meine Rechte und Pflichten – die Wahrheit, nichts als die Wahrheit zu sagen, nichts wegzulassen, nichts hinzuzufügen – begann die eigentliche Befragung, über die ich striktes Stillschweigen bewahren sollte. Vor dem Gericht warteten jede Menge Journalisten, ich solle der Presse gegenüber bitte keinerlei Äußerungen machen. Für mich ging das völlig in Ordnung; umso erstaunter war ich, als einige Tage später Details aus meiner Vernehmung in der Zeitung standen, die nur ein winziger Kreis an Personen kennen konnte.
    Wilhelm fragte mich, ob ich damit einverstanden sei, nicht direkt in ein Aufnahmegerät hineinzusprechen. Ich solle einfach erzählen und seine Fragen beantworten, er würde dann eine Zusammenfassung auf Band diktieren. Mein Anwalt nickte, wir machten uns darüber keine großen Gedanken und stimmten zu.
    Der Oberstaatsanwalt wollte als Erstes wissen, ob ich einen Journalisten namens Thomas Datt kennen würde. Ich bejahte und schilderte, wie ich ihn und Arndt Ginzel kennengelernt hatte. Ich erzählte von dem Anruf, von meiner erschrockenen Reaktion und meinem Misstrauen. Von ihrer Suche nach mir, dem Zufallstreffer dank unserer Firmenhomepage, ihren Arbeitsproben und unserer ersten Begegnung bei mir zu Hause. Ich war klar in meinen Aussagen und strukturiert.
    Als ich später das Vernehmungsprotokoll lesen konnte, stellte ich mit Erschrecken fest, dass einige meiner
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