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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen
Autoren: Vampira VA
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bringen zu lassen, zu bereuen begann. Weil Zweifel in ihr keimten; Zweifel an dem, was Karel ihnen in Aussicht gestellt und versprochen hatte: ein Leben ohne Not und Mangel. Mit jedem Mal, das Jana daran dachte, kamen ihr diese Versprechungen phantastischer und unglaubwürdiger vor. Ein Leben ohne Not und Mangel - das konnten kaum mehr als leere Worte sein, in einer Zeit wie dieser .
    Jana kroch nur langsam aus dem Reich ihrer Träume, und sie mühte sich nicht sonderlich dabei. Am liebsten wäre sie gar nicht aufgewacht, und so hielt sie die Augen noch eine ganze Weile geschlossen und stellte sich schlafend, als sie längst wach war. Dann jedoch wurden die Bewegung und Aufregung um sie her so deutlich spürbar, daß sie die Lider wie von selbst aufschlug.
    Zwei- oder dreimal blinzelte Jana noch, dann hatten sich ihre Augen an das trübe Grau gewöhnt, in das die Karrenplane das Tageslicht hier auf der Ladefläche verwandelte. Noch ein wenig benommen vom langen Schlaf richtete sie sich auf ihrem kaum so zu nennenden Lager auf - eine stinkende, feuchte Decke mit drei Handvoll fauligen Strohs darunter, mehr war es nicht.
    Ihre drei >Leidensgenossinnen< hockten am hinteren Ende des Bretterbodens und sahen auf etwas hinab, auf das sie Jana den Blick verwehrten. Das junge Mädchen kroch zu ihnen und streckte den Kopf zwischen zwei Schultern hindurch. Dann entfuhr auch ihr die Frage:
    »Wer ist das?«
    Wie schlafend lag die junge Frau da, sicher ein wenig älter als jedes einzelne der vier Mädchen, die Karel in den Dörfern aufgelesen hatte. Ihre Haut kam Jana so blaß vor, daß sie beinahe durchscheinend wirkte. Aber fast noch beunruhigender war die Tatsache, daß die Fremde keinen Faden am Leibe trug.
    Achselzucken antwortete ihr.
    »Wir wissen es nicht«, sagte Petrina, eine glutäugige Schönheit mit dunklem Teint.
    »Karel hat sie einfach zu uns hereingeworfen«, ergänzte Yvi. Ihr Haar flammte selbst im Dämmer unter der Plane wie der Horizont, wenn die Sonne glutrot dahinter versank.
    »Ihr sollt ruhig sein da hinten!« donnerte Karels Stimme in diesem Moment zum wiederholten Male. Gleichzeitig ließ er die Peitsche und Zügel knallen. Schwerfällig und schaukelnd setzte sich der Karren wieder in Bewegung.
    »Sie ist schön«, meinte Jana.
    »Ihr Haar, es ist so kurz wie das eines Burschen«, wunderte sich Rela, die vierte in ihrem nicht ganz freiwilligen Bunde.
    »Wie auch ihr Leib«, sagte Petrina. »Fast wie der eines Knaben scheint er mir.«
    Zaghaft berührte sie die milchige Haut der Fremden, fuhr mit sanften Fingern darüber und verharrte, ehe sie die kleinen Brüste erreichte.
    Die Zeit schien stehenzubleiben für eine nicht meßbare Spanne.
    Als die Fremde die Augen öffnete.
    *
    Wieder habe ich etwas Vertrautes gefunden. Etwas, das ich einst als Schmerz gekannt hatte. Heute empfinde ich es anders. Nur eines ist geblieben: Es läßt das Licht ringsum erlöschen und schickt mich zurück in jene
    Richtung, aus der ich gekommen bin - der kühlen Ewigkeit zu, nur ein Stückweit jedoch; nicht so weit zurück, wie ich den Weg dorthin schon einmal gegangen bin ...
    Ich weiß nicht, wie lange ich zuvor über Wiesen und durch Wälder gelaufen bin. Zeit ist ein Begriff, dessen Bedeutung mir zwar noch geläufig ist, aber für mich ist sie erloschen. Das mag der Preis dafür sein, wenn man einmal geschaut hat, was ich geschaut habe. Und der Gedanke daran schürt jenes dunkle Gefühl in mir, das mir allmächtig fast scheint. So stark, daß kein anderes neben ihm Platz hat. Etwas wie Wut, weil mir entgangen ist, was schon zum Greifen nahe war; und Haß auf jene, deren Tat dies alles in Gang setzte .
    Irgendwann spürte ich das Nahen von Menschen und erwartete sie. Die Begegnung war kurz - und schmerzhaft.
    Und nun erwache ich von neuem.
    In fremder Umgebung. Alles um mich her scheint in Bewegung, voller Geräusche, leisem Donner gleich. Gesichter hängen wie schwebend über mir, sehen auf mich herab. Müde und bleich sind sie - aber nur so lange, bis mein Blick sie trifft.
    Sie weichen zurück, ein wenig nur, als erschrecke sie etwas, dessen sie erst jetzt ansichtig werden, da mein Blick den ihren trifft. Ihre Lippen bewegen sich, gebären Laute, die mir fremd und unverständlich sind. Ich wünschte, ich könnte sie verstehen, denn ich weiß, daß Antworten auf meine Fragen darin lägen.
    Wie gern würde ich zu ihnen sprechen.
    Ich versuche es.
    Doch es mißlingt auch diesmal.
    Wieder bringe ich nur jene schrecklichen
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