Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
nicht viel Kurzweil bereiten. Er sah mehr tot aus denn lebendig, und es schien dem Soldaten ein kleines Wunder, daß die jämmerliche Gestalt sich noch aus eigener Kraft dort oben halten konnte.
    Dennoch verstellte er ihm den Weg.
    »He da!« rief er energisch. »Halt an, Alter!«
    Der Kutscher reagierte nicht sofort. Es dauerte eine Weile, ehe er auch nur den Kopf hob und den Blick in Vaclavs Richtung wandte, und dann noch einmal ein wenig, bis er in die Zügel seines kaum weniger gebrechlichen Gauls griff und ihn zum Stehenbleiben ver-anlaßte.
    Der Soldat trat seitlich an den Karren heran, sah auf - und fröstelte unvermittelt.
    Die Augen in diesem uralten Gesicht dort oben - etwas wohnte ihnen inne, das nichts Gutes verhieß. Jenseits ihres trüben Schimmers brodelte es wie am Himmel, wenn ein Gewitter bevorstand .
    Vaclav mußte sich die Kehle freiräuspern, bevor er zum Reden ansetzen konnte, aber auch dann klang seine Stimme noch ein kleines bißchen weniger sicher und selbstgefällig als sonst: »Wer bist du? Wo kommst du her, und was ist dein Begehr, Alter?«
    Der Angesprochene antworte nicht gleich, als müßte er sich erst darauf besinnen, daß er eine Stimme sein eigen nannte. Dann endlich sagte er, schwer und von seltsamer Trauer erfüllt: »Man nennt mich Karel. Und ich habe Ladung für Eure Herren in der Stadt.«
    »Ladung welcher Art?« fragte Vaclav.
    »Das geht dich nichts an«, erwiderte der Alte.
    Vaclavs Hellebarde schoß dem Gesicht Karels zu wie ein matter Blitz. Nur Fingerbreit vor der dürren Nase des Alten kam sie zur Ruhe.
    »Was wagst du da, du Narr?« knurrte der Torwächter.
    Das Gewitter in den Augen des Alten brach aus!
    Mit einem Aufschrei und vor allem einer Geschmeidigkeit, die niemand dem gebrechlichen Leib mehr zugebilligt hätte, stürzte Karel sich vom Bock. Seine Faust beschrieb einen flirrenden Bogen, während er auf Vaclav herabfiel. Trotzdem sein Kettenhemd ihn schützte, spürte der Soldat die wütende Kraft, die hinter dem Messerstoß des Alten lag.
    Aufstöhnend wankte er zurück.
    Mit irrem Blick und geifernd stand ihm der Kutscher gegenüber, die Klinge vorgereckt.
    »Steck das Messer weg, Alter«, empfahl der Soldat. »Dann werd' ich vielleicht vergessen, was du versucht hast.«
    »Du wirst gleich vergessen, daß du je gelebt hast!« keuchte der Alte und kam näher.
    Vaclav nahm den Schaft der Hellebarde quer, wartete, bis Karel noch ein bißchen weiter heran war, dann stieß er ihm das stumpfe Stielende entgegen. Er traf ihn vor der Brust. Der Stoß ließ den Alten zurücktaumeln. Rasch hakte der Soldat ihm den Schaft zwischen die Knie, brachte ihn ins Straucheln und schließlich zu Fall. Ehe der andere sich wieder erheben konnte, schlug er ihm den Schaft der Waffe gegen die Schläfe. Mit einem seltsam erleichterten Seufzen sank Karel zurück.
    »Was mag nur in den armen Tropf gefahren sein?« wunderte sich Vaclav schweratmend. »Scheint's, der Leibhaftige selbst ...«
    Er trat neben ihn und vergewisserte sich, daß der Alte vorerst wirklich keine Gefahr mehr darstellte und ihm nicht unversehens in den Rücken fallen konnte. Dann ging er an dem Karren entlang bis zum hinteren Ende, griff nach der Plane und schlug sie ein Stück zur Seite, die Hellebarde so im Griff, daß die Spitze ins Innere des Karrens wies. Nur für den Fall, daß dort mehr von der Sorte des Alten lauerten .
    Aber von keinem derer, die sich unter der Plane befanden, drohte mehr Gefahr.
    Dennoch entwich dem Soldaten ein entsetztes Keuchen.
    Freilich hatte er dem Tod schon oft ins Auge gesehen. Aber selten zuvor solcherart unvermittelt.
    Vier Tote lagen da vor ihm. Vier alte Weiber, die aber gewiß nicht an Altersschwäche krepiert waren. Denn ihre Leichname wiesen schlimmste Wunden auf, und das Blut ringsum legte den Verdacht nahe, daß sie alles, dessen sie habhaft geworden waren, als Waffe genutzt hatten.
    Trotzdem empfand Vaclav diesen Teil des Szenarios nicht als den schlimmsten.
    Um einiges furchteinflößender schien ihm jene, die inmitten der Leichen hockte. Nackt, bleich und teilnahmslos, als ginge sie das Grauen um sie her nichts an - oder so, als nähme sie es gar nicht wahr.
    Und vielleicht tat sie das auch nicht. Denn Vaclav schien es, als wäre sie gar nicht Teil dieser Welt. Wie ein Gespenst kam sie ihm einen Moment lang vor. Weil er glaubte, durch sie hindurchsehen zu können .
    »Rühr dich nicht von der Stelle«, stammelte Vaclav tonlos.
    Hastig wandte er sich dann ab, rannte zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher