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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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von einer Methode erfahren, wie man schlichtes, grobes Hanftuch färben und in Goldstoff verwandeln kann, was den weisen Berater und Gefährten seiner Jugend, Bruder Malachi, gewißlich interessieren dürfte. Ich soll ihm den Brief sofort zeigen und den heiligmäßigen Mann grüßen. Um ihn selbst soll ich mir keine Sorgen machen, denn er setzt sein Vertrauen in Gottes Gnade. Jetzt kommt ein Teil, den ich gar nicht verstehe. Er ist ganz in Latein mit überall eingeflochtenen alchimistischen Zeichen. Du liebe Zeit, wann hätte Gregory Malachi je einen heiligmäßigen Mann genannt? Dafür kennen sie sich schon viel zu lange. Und jetzt schreibt er, als ob Malachi ein Fremder, womöglich gar ein allem Irdischen entrückter Eremit wäre! Heiligmäßig! Nun, das ist kaum derselbe Bruder Malachi, den ich kenne. Ich glaube, er hat gewußt, daß man den Brief aufmacht.«
    »Ich will hin, ich will hin, nimm mich mit!« rief Alison. Da hatte ich schon Mutter Sarah herbeigerufen, damit sie auf Peregrine aufpaßte.
    »Mutter, bitte. Darf ich auch mitkommen? Ich muß Bruder Malachi etwas Wichtiges fragen«, sagte Cecily. Ihre ernste Miene machte mich stutzig. Normalerweise wollten die Mädchen nur Mutter Hilde sehen, meine allerbeste Freundin, die mit Malachi zusammenlebt und sich dieser Tage seine Haushälterin nennt. Weil Mutter Hilde nämlich die besten Honigkuchen von ganz London backt und über den größten Schatz an Märchen unter allen Frauen meiner Bekanntschaft verfügt. Was um alles in der Welt wollte Cecily von dem Alchimisten wissen?
    »Ihr kommt nur mit, wenn ihr euch beeilt und euch ordentlich anzieht. Und du, Alison, nur, wenn du artig bist.«
    »Siehst du, Cecily, ich gehe auch mit zu Mutter Hilde!« jubelte Alison, während wir eilig das Haus verließen.

Kapitel 3
    S eit vielen Tagen lagerte das große Heer des Königs vor den Mauern von Paris. Der Bischof von Reims hatte die heilige Ampulla gut weggeschlossen und befohlen, die Stadttore zu schließen. Der Umweg durch Burgund hatte dem König die Bestechungssumme von zweihunderttausend Goldmoutons eingebracht, nur damit er abzog, und nun rückte auch noch die Einnahme und Plünderung von Paris, die alle aufgeheitert hätte, in immer weitere Ferne. Zum einen hatten die Franzosen seit dem letzten Besuch des Königs die Stadtmauer fertiggestellt. Hoch, grau und furchteinflößend umschloß sie jetzt ganz Paris. Zum anderen schien der Dauphin, ein rechter Tunichtgut, entschlossen, den Thron zu verteidigen, der dem Namen Edwards III. noch größeren Glanz verliehen hätte.
    Gilbert de Vilers dachte, das einzig Gute an dieser Belagerung ist, daß nichts passiert und ich deswegen allmählich mit dem Schreiben nachkomme. Über der Stadtmauer konnte er durch die geöffnete Klappe seines runden Zeltes die vertrauten Wahrzeichen seiner Studentenzeit ausmachen: die gedrungenen Türme der Bastille, die flachen, zinnenbewehrten Türme von Les Tournelles, und etwas weiter entfernt, die schiefergedeckten Türme vom Louvre und Saint-Pol. Und alles überragend den Dachreiter der mächtigen Kathedrale Notre Dame, der wie ein Pfeil in den Himmel stieß. Wie seltsam, sinnierte er, da habe ich nun ein ›Sir‹ vor dem Namen und stehe vor den Toren von Paris, auf einer Stange neben mir hängt meine Rüstung in dem beengten Zelt, statt daß ich in der Stadt als Herr der Schenken durch das Quartier Latin schlendere, Händel suche und in fröhlicher Gesellschaft Zechlieder singe. Es wurde gemunkelt, daß die Menschen innerhalb der Mauern Katzen und Ratten aßen. Er wußte, daß sie sich nie ergeben würden. Gilbert seufzte. Alle fragten ihn um Rat, und niemand hörte darauf. Das einzig Gute an dem ganzen Feldzug war der nette Nebenverdienst, den er für seine Hilfe bei den Verhandlungen mit den Burgundern eingesteckt hatte. Ein wahrer Glücksfall, daß er den Abt von St. Michel Archange von früheren Reisen her kannte.
    Das Licht ließ nach, während Gilbert schrieb: »Alsdann schritt der wohledle und mächtige Herzog von Lancaster zur Mauer der Stadt Paris, die Herolde ihm vorauf, und forderte den Dauphin zum Einzelkampf. Letzterer jedoch, da schwächlichen und kränklichen Leibes, verweigerte sich der Ehrenpflicht…«
    Wirklich, dachte Gilbert, als er das niederschrieb, ich an seiner Stelle wäre auch nicht herausgekommen. Falls die Franzosen beide verlieren, den König und den Dauphin, ist es um sie geschehen. Und falls sie auch nur einen Spion in unserem Lager haben, wissen sie,
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