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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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die Genugtuung meines Kummers geben.
    An dem Tag, den der Zar für die Hinrichtung von Wilhelm Mons bestimmt hatte, rief ich deshalb meine Töchter und den Tanzmeister aus Paris zu mir. Meine Blässe hatte ich unter zinnoberroten Wangen verborgen, und ich glitzerte nur so vor Juwelen. Ich befahl dem kleinen Mann, der uns im Tanz unterwies: »Ich habe von einem neuen Tanz aus Paris gehört, einem Menuett! Bring’ ihn uns bei!«
    Er neigte ehrerbietig den Kopf und begann, uns die schwierigen Schritte zu zeigen. Mir war, als ob Elisabeth mich mehrmals verstohlen beobachtete. Ich dachte wieder an die geschwungenen Schriftzüge auf dem Papier, welches das Schicksal unserer Liebe besiegelt hatte. Aber nein, sagte ich mir: Sie war doch meine Tochter.
    Die Musikanten auf der kleinen Galerie spielten auf. Zu den leichten, perlenden Klängen begann ich zu tanzen, und ich tanzte über die Splitter meines gebrochenen Herzens.
     
    Der Anblick, den Wilhelm bot, als er auf das Schafott stieg, war entsetzlich. Ich hatte die ganze Nacht hindurch Gott um Stärke für diesen Augenblick gebeten. Weiße Schminke bedeckte die Schatten, die die schlaflosen Nächte in mein Gesicht gezeichnet hatten. Ich naschte unentwegt gezuckerte Früchte. Sie waren von Felten so stark gesüßt worden, daß mein Mund sich zu etwas wie einem Lächeln verziehen konnte. Das Volk um den Richtblock schwieg, als die einzelnen Mitglieder der Familie Mons an den Richtblock geführt wurden. Wilhelm selber konnte nicht mehr laufen. Die Knechte hatten ihn auf einen Karren mit Stroh geworfen und luden ihn sich nun über die breiten Schultern. Peter, der neben mir saß, schnaubte leise durch die Nase und mu sterte mich. Ich wandte den Kopf und lächelte ihn mit meinen gezuckerten Lippen an. Seine Augen quollen vor Neugierde auf mein Verhalten schier aus dem Kopf. »Und, Katharina Alexejewna, was denkst du jetzt?« fragte er spitz. Ich zuckte leicht die Schultern und zog meinen Pelzkragen dichter um meinen Hals. »Er war ein treuer Angestellter. Sollte er sich an meinen Juwelen vergriffen haben, wie du es ihm öffentlich vorwirfst, so verdient er Strafe«, sagte ich und richtete meinen Blick wieder nach vorne.
    »Oh ja, er hat sich sogar an den Kronjuwelen vergriffen, wie du wohl weißt!« knurrte Peter.
    Wilhelm war nichts als ein jämmerlicher Klumpen Fleisch in dem Schnee um das Schafott. Sie schleiften ihn die Stufen hinauf, und er schrie dabei vor Schmerz. Meine Finger krampften sich ineinander. Ich liebte ihn, liebte ihn viel zu sehr, und liebte ich ihn doch nicht genug? Wäre es ein Zeichen wahrer Liebe, wenn ich nun alles gestände und dort neben ihm auf das Schafott und in den Tod springen wollte? Ich tat es nicht, und damit muß ich leben.
    Peter aber riß mich aus meinen Gedanken und auf meine Füße.
    »Von hier siehst du nicht gut genug, meine Liebe. Komm mit mir«, forderte er. Er überquerte mit großen Schritten den Platz zwischen unseren Sitzen und dem Schafott. Ich konnte ihm kaum folgen, doch er zog mich unerbittlich mit sich, die Stufen hinauf, neben das Rad, hin zu dem Richtblock. Wilhelm konnte seinen Kopf nicht mehr heben, und ich war froh darum.
    Peter legte seinen Arm um meine Schultern, küßte meine Wange und sagte laut zur Menge hin: »Die Zariza wünscht genau zu sehen, wie der Dieb Wilhelm Mons, Verräter an ihrer Treue, gerichtet wird. Los!« Die Menge schwieg. Jeder einzelne unter ihnen schien zu wissen, weshalb Wilhelm wirklich sein Leben lassen mußte. Peter gab das Kommando an die Knechte, die ihr ekelhaftes Handwerk begannen. Meine Tränen flossen frei und ließen mich gnädig vor dem erblinden, was ich hätte sehen sollen. Ich weiß, daß sie Wilhelm auf das Rad flochten. Ich weiß, daß sie ihn vierteilten. Ich weiß, daß sie ihm letzt endlich den Kopf abschlugen. Peter hielt meinen Oberarm mit eiserner Kraft umfaßt, und so ließ er mich weinen, weinen, weinen, bis Wilhelm Mons, mein schöner, starker Wilhelm voller Leben und Kraft, endlich tot war.
     
    Peter wußte. In den Tagen nach der Hinrichtung zwang er mich, ihn auf seinen Spaziergängen zu begleiten. Unser Schlitten hielt unweigerlich an dem Richtblock, auf dem Wilhelm Mons noch immer als nun lebloser Rumpf hing. Seine Glieder waren den wilden Hunden zum Fraß vorgeworfen worden. Ich mußte mit dem Zaren aus dem Schlitten aussteigen. »Komm, Katerinuschka, wir vertreten uns die Beine«, sagte er heiter, und ich hatte so nahe an Wilhelm vorbeizugehen, daß meine Röcke
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