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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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sich meine Finger fest in Peters Hände, die sich mir entgegenstreckten. Ich wollte seine Knie umfassen und seine Füße küssen, doch er ließ es nicht zu: Sein Griff war fest, als er mich hochzog. Ich schluchzte auf. Der Schmerz wurde zu Schönheit, und die Musik brauste auf. Meine Hand öffnete sich flach, so daß Peter den Reichsapfel in sie legen konnte. Mit einem Mal wurde mir bewußt, welches Gut er an diesem Tag mit mir zu teilen bereit war! Mir flossen die Tränen frei über die Wangen, und sie zogen Spuren in die dicke Schicht aus weißer Schminke. Das Zepter ließ Peter sich von Prinz Iwan Mussin-Puschkin reichen: »Danke, mein Bruder!« sagte er leise zu seinem Freund, der ein unehelicher Sohn des Zaren Alexej war.
    Er hielt das Zepter an seine Brust gedrückt. Wir waren ein Herrscherpaar.
    Der Hof erhob sich zum Gebet, zum Gesang und zum Segen.
    Die Sänger trugen mein Dankgebet hinaus in die Marschmusik, die auf den Plätzen der Stadt gespielt wurde, in das Klimpern der Goldmünzen, die der Minister Golowkin großzügig in das sich darum keilende Volk warf, hinein in das Gurgeln der Brunnen, die Rot- und Weißwein spieen, bis sie sich in den Wind mischten, der sie mit sich in die Weite des Landes nahm.
    Die Feiern dauerten eine Woche, dann hatte der gesamte Hof mit all seinem Gesinde und Gepäck unverzüglich wieder nach Sankt Petersburg aufzubrechen. Es galt, rechtzeitig zu den Seespielen und Feiern für Peters Namenstag wieder an der Newa zu sein.
    Peters Leiden ließ ihn in jenen Woche an keinem Tag mehr ohne Schmerzen. »Jetzt habe ich es doch zu toll getrieben«, murmelte er, als ich ihn in seinem Krankenzimmer besuchte. »Diese Leiden sind wie die Hydra in den griechischen Sagen. Kaum habe ich die eine mit Quecksilber vergiftet, so wachsen hundert andere in meinem Körper nach!« Sein Gesicht war so weiß wie seine Laken. Niemand in dem Raum wagte es, zu sprechen. Vier Monate lang war er in jenem Sommer an sein Lager gefesselt: Sein Zustand war so ernst, daß ich Blumentrost gezwungen hatte, andere Ärzte um Rat zu fragen. Er sandte nach Moskau, von wo Doktor Bidloo anreiste. Letztendlich war es jedoch der Arzt Horn, der fast ein tschetwerik an Blut, Urin und Eiter aus Peters Blase befreite.
     
    Ich nutzte die Zeit, um verlorene Stunden mit Wilhelm Mons wiedergutzumachen. Wir lachten viel, als er mir von den Geschehnissen auf dem Landgut mit den fünftausend Seelen, das ich ihm geschenkt hatte, erzählte. Lange hatte ich ihn nicht entbehren können, doch die paar Tage, die er dort gewesen war, genügten ihm anscheinend, um Abenteuer für ein ganzes Leben zu sammeln.
    Dennoch freute ich mich, als Peter sich nach den ersten Herbststürmen zu einem Abendessen gemeinsam mit Pawel Jaguschinski in meinen Gemächern anmelden ließ. Ich orderte bei Johann Felten einige seiner Lieblingsspeisen: gefüllten Schweinemagen mit saurem Kraut, frische Brotfladen und kaltes Bier. Ich selber deckte den Tisch und summte ein Lied, als ich das Immergrün aus dem Garten des Sommerpalastes auf dem Tuch verteilte. Da er mit Jaguschinski, Makarow und Menschikow kam, bat ich Wilhelm Mons, mir als mein Kammerherr hinter meinem Stuhl aufzuwarten und dann mit uns zu speisen. Dazu lud ich noch Darja Menschikowa und Ulrike Villebois ein.
    Ich wählte ein schlichtes rotes Kleid und ließ mir Perlenschnüre in mein Haar flechten. Schließlich bat ich Ulrike Villebois noch, mir das Geschmeide, das Menschikow mir einst geschenkt hatte, um den Hals zu legen. Peter betrat meine Räume verspätet und grüßte uns nur knapp. Ich selber füllte seinen Teller bis zum Rand und brach ihm das Brot. Er bedankte sich nicht und sprach auch sonst nur wenig. Hatte er noch immer Schmerzen, so wunderte ich mich? Ich plauderte dafür um so mehr.
    Nach einer Stunde jedoch richtete er das Wort an mich: »Zariza, wieviel Uhr ist es?« knurrte er. Ich griff nach der zarten Uhr, die an einer Goldkette ebenfalls um meinen Hals hing: Peter selber hatte sie für mich in Berlin anfertigen lassen.
    »Es ist erst neun Uhr, mein Herr, also noch jede Menge Zeit für Freude«, antwortete ich gelassen. Peter jedoch nahm mir wortlos das Geschmeide aus der Hand. Er stieß die mit Diamanten besetzten Zeiger grob nach vorne, so daß einer von ihnen brach.
    »Du täuscht dich, Katharina Alexejewna! Es ist schon Mitternacht, und alle außer dir, mir und ihm« – er zeigte auf Wilhelm Mons – »werden nun zu Bett gehen!«
    Mir stockte der Atem, doch ich neigte den
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