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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
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Burg zu errichten. Helen war entsetzt gewesen, daß Liana plante, Nevilles Geld für den Bau dieser Häuser auszugeben, statt die Bauern für ihre Unterkunft selbst zahlen zu lassen. Helen hatte darob so laut geschrien, daß alle sechs Falken, die Gilbert besaß, von ihrem Schlafplatz im Gebälk aufgeflogen waren. Man hatte ihnen Kapuzen übergestülpt, um sie ruhig und blind zu machen, doch bei ihrem panikartigen Flug hatte sich einer der Raubvögel das Genick gebrochen. Gilbert wußte, daß nun etwas getan werden mußte; er konnte nicht riskieren, noch einen seiner geliebten Falken zu verlieren.
    Sein erster Gedanke war, die beiden Frauen in Rüstungen zu stecken und sie ein Turnier ausfechten zu lassen, um zu entscheiden, welche nun gehen mußte oder bleiben konnte. Aber Frauen besaßen Waffen, die härter waren als Stahl: Worte.
    »Ich glaube, Helen ist der Meinung, du würdest — äh — in deinem eigenen Heim glücklicher sein. Mit deinem eigenen Gatten und etlichen Gören.« Gilbert konnte sich nicht vorstellen, daß man anderswo glücklicher sein konnte als auf dem Land der Nevilles; aber wer kannte sich schon mit Frauen aus?
    Liana trat ans Fenster und blickte hinaus auf den Innenhof, die dicke Burgmauer dahinter und auf die Stadt am Fuße des Hügels, die ebenfalls von einer Mauer umfriedet war. Dies war nur eines der zahlreichen Besitztümer ihrer Familie — eines von vielen, die sie verwaltete. Ihre Mutter hatte viele Jahre darauf verwandt, Liana auszubilden — ihr beizubringen, wie sie das lehnsabhängige Volk behandeln und das Rechnungswesen des Majordomus zu überprüfen habe. Und wie sie jedes Jahr einen Überschuß erwirtschaften konnte, um neues Land hinzuzukaufen.
    Liana hatte die Mitteilung ihres Vaters, daß er eine hübsche junge Witwe zu heiraten gedenke, mit Verdruß aufgenommen. Ihr gefiel der Gedanke nicht, daß eine andere Frau versuchte, den Platz ihrer Mutter einzunehmen, und ihr schwante schon damals nichts Gutes. Doch Gilbert Neville konnte auch eigensinnig werden und war zudem ehrlich davon überzeugt, daß ihm alles erlaubt sei, was und wann er es sich wünschte. Liana war heilfroh, daß er nicht zu jenen Männern gehörte, die an nichts anderes dachten als an Fehden und Waffen. Er beschäftigte sich mit seinen Hunden und Falken und überließ die wichtigeren Dinge erst seiner Frau und dann seiner Tochter.
    Bis jetzt jedenfalls. Doch nun hatte er die eitle Helen geheiratet, die nur an Profit dachte, damit sie sich noch mehr und kostbarere Kleider kaufen konnte. Helen hielt sich fünf Frauen, die bis in die Nacht hinein für sie Kleider nähen mußten. Eine dieser Frauen tat nichts anderes als Zuchtperlen anzuheften. Allein im letzten Monat hatte Helen vierundzwanzig Pelzhäute gekauft, und im Monat davor einen Korb voller Hermelinfelle, wobei sie so wenig an die Kosten dachte, als würde sie einen Korb voller Korn kaufen. Liana wußte, Helen würde die Bauern bis zum Weißbluten auspressen, damit sie sich einen Gürtel aus Gold und Diamanten kaufen konnte, wenn sie Helen die Verwaltung des Familienbesitzes überließ.
    »Nun?« fragte Gilbert hinter Lianas Rücken. Weiber! dachte er. Er würde noch auf seine tägliche Jagd verzichten müssen, wenn er nicht bald eine Antwort von seiner Tochter bekam. Es war Helen zuzutrauen, daß sie ein Pferd bestieg und ihm folgte, um das Gezeter, das sie heute nacht angestimmt hatte, auch tagsübe fortzusetzen.
    Liana drehte sich zu ihrem Vater um. »Sage meiner Stiefmutter, daß ich heiraten werde, wenn ich einen passenden Mann finde.«
    Gilbert sah erleichtert aus. »Das scheint mir recht und billig zu sein. Ich werde es ihr ausrichten, und das wird sie glücklich machen.« Er bewegte sich zur Tür, blieb dann aber noch einmal stehen und legte in einer seltenen Anwandlung von Zuneigung seiner Tochter die Hand auf die Schulter. Gilbert war kein Mann, der auf Vergangenes zurückschaute; doch in diesem Moment wünschte er, er hätte Helen nie gesehen, sie niemals geheiratet. Er hatte nicht gewußt, wie bequem er es eigentlich bei seiner Tochter hatte, die für seine bescheidenen Bedürfnisse sorgte, und mit einer Magd, die seinen Appetit stillte, wenn sich die Fleischeslust in ihm regte. Er zuckte mit den Achseln. Es hatte keinen Sinn zu bereuen, was nicht mehr zu ändern war. »Wir werden für dich einen gesunden jungen Mann finden, der dir ein Dutzend Kinder beschert, um die du dich dann kümmern kannst.« Damit verließ er den Raum.
    Liana
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