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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
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setzte sich hart auf die Federmatratze ihres Bettes und winkte ihre Magd aus dem Zimmer. Dann hielt sie ihre Hände vors Gesicht und sah, wie sehr sie zitterten. Sie hatte einmal einer mit Sicheln und Äxten bewaffneten Horde von Bauern gegenübergestanden, mit drei furchtschlotternden Mägden im Rücken, jedoch einen kühlen Kopf dabei bewahrt und sich das Pack vom Leib gehalten, indem sie ihm die Lebensmittel überließ, die sie bei sich führte, und ihnen Arbeit gab auf ihrem Land.
    Sie hatte betrunkene Soldaten in die Schranken gewiesen und auch einen übereifrigen Freier, der sie vergewaltigen wollte. Sie hatte eine Katastrophe nach der anderen durch Besonnenheit, Selbstbewußtsein und Kaltblütigkeit gemeistert.
    Doch der Gedanke, daß sie heiraten sollte, erschreckte sie. Das war nicht nur ein Bangen, sondern eine tiefsitzende, in ihrer Seele schwärende Angst. Vor zwei Jahren hatte sie miterlebt, wie ihre Kusine Margaret mit einem Mann verehelicht wurde, den der Vater des Mädchens ausgesucht hatte. Vor der Hochzeit hatte der Mann Liebessonette verfaßt, in denen er Margarets Schönheit pries. Margaret geriet damals ins Schwärmen und erzählte bei jeder Gelegenheit, daß ihre Hochzeit eine Liebes-
    Verbindung sein würde und sie sich auf das Zusammenleben mit diesem geliebten Mann freute.
    Nach der Hochzeit zeigte der Mann sein wahres Selbst. Er verkaufte den größten Teil von Margarets unglaublich reicher Mitgift, um seine gewaltigen Schulden zu bezahlen. Dann ließ er Margaret mit einer Handvoll Gefolgsleuten in einer alten baufälligen, zugigen Burg zurück, während er an den Hof des Königs ging und dort den Rest ihrer Mitgift dazu verwendete, Juwelen für seine zahlreichen hochgeborenen Huren zu kaufen.
    Liana wußte, wie glücklich sie sich schätzen konnte, daß sie die Vollmacht besaß, das Vermögen ihres Vaters zu verwalten. Ihr war bekannt, daß keine Frau irgendeine Gewalt ausüben konnte, solange diese ihr nicht von einem Mann zugestanden wurde. Männer hatten seit ihrem vierten Lebensjahr um ihre Hand angehalten. Sie war schon einmal, mit acht Jahren, verlobt gewesen; aber der junge Mann war gestorben, ehe sie zehn Jahre alt war. Ihr Vater hatte sich danach nicht mehr mit dieser Angelegenheit beschäftigt, und so war es Liana bisher gelungen, das Joch der Ehe von sich fernzuhalten. Sobald ein Freier sein Werben zu hartnäckig vortrug, brauchte Liana Gilbert nur daran zu erinnern, was für ein Chaos ihre Heirat bei ihm anrichten würde, und Gilbert lehnte das Heiratsangebot ab.
    Doch nun hatte die geldgierige Helen sich in ihre Verhältnisse eingemischt. Liana dachte daran, ihre Vollmachten auf ihre Stiefmutter zu übertragen und sich auf ihren Besitz in Wales zurückzuziehen. Ja, der wäre weit genug von den Ländereien ihres Vaters entfernt. Dort konnte sie ungestört leben, und bald würden Helen und ihr Vater sie vergessen.
    Helen stand auf, die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt. Ihr schlichtes Samtgewand streifte die Steinplatten des Fußbodens. Helen würde sie niemals in Frieden lassen. Helen würde sie bis an Ende der Welt verfolgen, um durchzusetzen, daß auch sie ein so elendes Leben führte, wie es alle verheiratete Frauen zu führen schienen.
    Liana nahm den Handspiegel vom kleinen Tisch beim Fenster und starrte hinein. Trotz all der Liebesgedichte, die junge heiratswillige Männer auf sie verfaßt hatten, trotz all der Lieder, mit denen herumziehende, von ihr bezahlte Sänger sie gepriesen hatten, konnte sie nicht erkennen, daß sie eine Schönheit war: zu blaß, zu blond, zu ... zu unschuldig aussehend, um als Schönheit gelten zu können. Helen war schön — mit ihren glitzernden dunklen Augen, die jeden wissen ließen, daß sie Geheimnisse hatte, und ihrer schwülen Art, die Männer anzusehen. Liana dachte zuweilen, daß ihre Reizlosigkeit der Grund sei, warum sie die Dienstboten so gut unter ihrer Gewalt hatte. Wenn Helen über den Burghof ging, hielten die Männer mit ihrer Arbeit inne und blickten ihr nach. Die Männer griffen sich zwar an die Stirnlocke aus Respekt vor Liana, aber sie blieben nicht mit offenem Mund stehen, glotzten sie an oder stießen sich gegenseitig in die Rippen, wenn sie an ihnen vorbeikam.
    Wieder trat sie ans Fenster und blickte hinunter in den Burghof. Ein hübsches Milchmädchen wurde von dem Gehilfen des Hufschmieds geneckt. Und jetzt faßte er sie mit beiden Händen um die Taille.
    Liana wandte sich ab; denn dieser Anblick war zu
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