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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
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mitgebracht hatte, zu mehren, noch was seine Tochter jetzt trieb. Nach seinen Begriffen wuchs sein Besitz von selbst. Die Bauern bestellten das Land; die Edelleute gingen auf die Falkenjagd; der König machte Gesetze. Und ihn dünkte, daß Frauen ständig zankten.
    Er hatte die schöne junge Witwe, Helen Peverill, zum erstenmal gesehen, als sie über das Land ihres verstorbenen Gemahls ritt. Ihre dunklen Haare waren ihr über den Rücken geflossen, ihre großen Brüste fast aus dem Gewand gehüpft, und der Wind hatte ihre Röcke gegen ihre kräftigen, gesunden Schenkel gedrückt. Gilbert hatte einen seltenen Moment der Fleischeslust erfahren und seinem Schwager mitgeteilt, daß er Helen zu ehelichen wünsche. Danach hatte Gilbert nicht mehr viel unternommen, bis Liana ihm sagte, daß es Zeit wäre für die Hochzeit. Nach einer lustvollen Hochzeitsnacht hatte Gilbert eigentlich schon genug gehabt von Helen und erwartet, daß sie ihn nun in Ruhe ließ und machte, was Frauen eben tagsüber so trieben. Aber das hatte sie nicht getan. Statt dessen hatte sie angefangen, unentwegt zu nörgeln — vor allem und ausgerechnet über Liana. Liana war so ein süßes, hübsches Kind, das dafür sorgte, daß die Musikanten Weisen spielten, die Gilbert liebte, die Mägde anwies, ihn stets mit Speisen zu versorgen, und an langen Winterabenden ihrem Vater Geschichten erzählte, um ihm die
    Zeit zu vertreiben. Er konnte nicht verstehen, weshalb Helen Liana aus dem Haus haben wollte. Liana verhielt sich so still und unauffällig, daß er sich manchmal fragte, ob sie überhaupt da war.
    »Ich würde meinen, daß Liana einen Ehemann haben kann, wenn sie einen haben will«, sagte Gilbert gähnend. Er glaubte, daß die Leute nur das taten, was sie gern tun wollten. Er nahm wirklich an, die Leute arbeiteten vom Tagesanbruch bis zur Dunkelheit auf den Feldern, weil sie es eben gern wollten.
    Helen versuchte die Ruhe zu bewahren. »Natürlich möchte Liana keinen Ehemann haben. Warum sollte sie sich wohl einen Mann wünschen, der ihr sagt, was sie tun soll, wenn sie hier absolute Freiheiten und absolute Macht besitzt? Hätte ich im Heim meines verstorbenen Gatten eine solche Gewalt gehabt, hätte ich sein Haus niemals verlassen.« Sie warf die Hände in einer Geste hilflosen Zorns in die Höhe. »Macht und keinen Mann, für den sie sorgen muß! Liana hat den Himmel auf Erden. Sie wird niemals von hier fortgehen.«
    Obwohl Gilbert Helens Beschwerden nicht verstand, ging ihm ihr Kreischen dennoch auf die Nerven. »Ich werde mit Liana reden und sie fragen, ob sie einen Ehemann ins Auge gefaßt hat.«
    »Du mußt ihr befehlen, sich einen Mann zu nehmen«, sagte Helen. »Du mußt für sie einen Mann aussuchen und ihr sagen, daß sie ihn zu heiraten habe.«
    Gilbert blickte seinen Hund an und lächelte versonnen. »Ich habe mich einmal mit Lianas Mutter angelegt — ein einziges Mal. Ich bin nicht bereit, den gleichen Fehler noch einmal zu machen und mich mit ihrer Tochter anzulegen.«
    »Wenn es dir nicht gelingt, deine Tochter aus meinem Haus zu schaffen, wirst du bereuen, dich mit mir angelegt zu haben«, sagte Helen, ehe sie auf den Fersen kehrtmachte und dem Raum verließ.
    Gilbert kraulte seinem Hund die Ohren. Seine neue Frau war ein Kätzchen im Vergleich zu seiner ersten, die ihm wie eine Löwin erschienen war. Er konnte wirklich nicht begreifen, warum Helen sich so erboste. Nie hätte er gedacht, daß ein Mensch sich Verantwortung wünschen könnte. Er nahm eine nach Sankt Markus geformte Fleischpastete und zerkaute sie nachdenklich. Vage erinnerte er sich daran, daß ihn jemand gewarnt hatte, zwei Frauen unter seinem Dach zu beherbergen. Vielleicht würde er wirklich mit Liana reden müssen, um zu erfahren, wie sie über diese Idee dachte, sich einen Mann zu nehmen. Wenn Helen ihre Drohung wahrmachte und in eine andere Burg umzog, würde sie ihm im Bett fehlen. Aber wenn Liana tatsächlich heiratete, mochte das vielleicht jemand sein, der gute Jagdfalken züchtete.
    »So«, sagte Liana leise, »meine geschätzte Stiefmutter möchte mich aus meinem eigenen Heim werfen — aus dem Heim, für dessen Vergrößerung meine Mutter so hart arbeitete und das ich nun drei Jahre lang verwaltet habe.«
    Gilbert fürchtete, daß möglicherweise sein Kopf zu schmerzen begann. Helen hatte in der vergangenen Nacht endlos auf ihn eingeredet. Offenbar hatte Liana Anweisung gegeben, etliche neue Häuser in der von einer Mauer umgebenen Stadt am Fuße der
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