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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
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Körpers zeigte. Die Wolle war grob, schmutzig und stank; aber sie betonte ihre Rundungen. Sie rollte die Ärmel, die steif waren vom Fett, das sich jahrelang darauf abgelagert hatte, zu den Ellenbogen hinauf. Der Rock reichte ihr nur bis zu den Knöcheln, und das gab ihr ein Gefühl uneingeschränkter Bewegungsfreiheit, so daß sie sich zutraute, darin selbst durch den hüfthohen Farn zu laufen.
    Mit diesem Kleid auf dem Körper fühlte sich Liana für das bevorstehende Abenteuer gewappnet. Sie spähte durch die Zweige wieder zu dem Mann und erinnerte sich jetzt daran, wie oft sie die Bauern dabei beobachtet hatte, als sie lachend einander gejagt hatten und in den Kornfeldern verschwanden. Sie hatte einen Jungen gesehen, der einem Mädchen eine Blume schenkte. Würde dieser himmlisch schöne Mann ihr auch Blumen bescheren? Vielleicht würde er daraus sogar einen Kranz für ihr Haar winden, wie das ein Ritter vor einigen Monaten für sie getan hatte — außer daß es diesmal echt sein würde. Diesmal würde der Mann ihr Blumen verehren, weil er sie als Person schätzte und nicht des Reichtums ihres Vaters wegen.
    Nachdem Liana ihren schweren Kopfschmuck entfernt und zwischen den Büschen versteckt hatte, so daß ihre langen blassen Haare ihr über den Rücken strömten, trat sie hinaus auf die Lichtung und ging auf den Mann zu. Er erwachte selbst dann nicht, als sie über einen Haufen Steine stolperte.
    Sie rückte noch näher an ihn heran; aber er bewegte sich nicht. Er war in der Tat ein schöner Mann, so gestal-tet, wie Gott einen Mann hatte erschaffen wollen. Sie konnte kaum erwarten, daß er aufwachte und sie erblickte. Man hatte ihr gesagt, daß ihre Haare wie gesponnenes Gold aussähen. Würde er das auch meinen?
    Seine Kleider lagen nicht weit von ihm entfernt, und sie ging zu ihnen und hob sein Hemd hoch. Sie hielt es mit ausgestrecktem Arm und fuhr dem Saum der breiten Schultern nach. Die Wolle war grob gesponnen, und sie dachte, wie besser ihre Frauen doch diese Arbeit erledigten.
    Als sie das Hemd betrachtete, sah sie dort etwas Seltsames und beugte sich vor, um es genauer in Augenschein zu nehmen.
    Läuse! Das Hemd wimmelte von Läusen.
    Mit einem leisen Schrei des Ekels schleuderte sie das Hemd von sich.
    Eben noch hatte der Mann schlafend auf der Erde gelegen, und im nächsten Moment stand er in seiner ganzen nackten Pracht vor ihr. Er war wirklich eine Augenweide
    — groß, mit mächtigen Muskelsträngen, nicht ein Gramm Fett am Leib. Sein dichtes schulterlanges Haar war dunkel, sah jedoch in der Sonne fast rot aus, und da gab es rötliche Stoppeln auf seinem kräftigen Kinn. Seine Augen waren dunkelgrün und sehr lebendig und ausdrucksvoll.
    »Seid gegrüßt«, sagte Liana und hielt ihm ihre Hand hin, den Handteller nach unten gerichtet. Würde er vor ihr auf ein Knie niedersinken?
    »Du hast mein Hemd in den Dreck geworfen«, sagte er wütend und blickte auf die hübsche blauäugige Blondine hinunter.
    Liana zog ihre Hand zurück. »Es ist voller Läuse.« Wie sprach man mit einem Jäger, wenn man zum gleichen Stand gehörte? Ein hübscher Tag, nicht wahr? Würdest du wohl für mich meinen Wasserkrug füllen? Ja, das klang gewöhnlich genug.
    Er warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Du kannst mein Hemd wieder aus dem Matsch holen und es waschen. Ich muß heute noch einen Besuch machen.«
    Er hatte eine sehr angenehme Stimme; aber ihr gefiel nicht, was er da eben gesagt hatte. »Es ist gut, daß das Hemd im Tümpel untergegangen ist. Ich sagte dir doch schon, daß es voller Läuse war. Vielleicht würdest du gern ein paar Brombeeren pflücken? Ich bin sicher, es gibt hier . . .« Zu ihrem größten Befremden packte der Mann sie bei den Schultern, drehte sie dem Teich zu und gab ihr einen Stoß.
    »Hol mein Hemd aus dem Tümpel und wasche es!«
    Wie konnte er es wagen, sie ohne ihre Erlaubnis anzufassen! dachte Liana empört. Ich und sein Hemd waschen! Sie würde ihn jetzt stehenlassen, zu ihren Kleidern und ihrem Pferd gehen und in die Sicherheit der väterlichen Burg zurückkehren. Sie drehte sich zur Seite; aber er faßte sie am Unterarm.
    »Hast du keine Ohren, Mädchen?« sagte er, sie wieder herumwirblend. »Entweder holst du jetzt mein Hemd aus dem Teich, oder ich werfe dich hinterher.«
    »Mich hinterherwerfen?« wiederholte sie. Sie war dicht davor, ihm zu sagen, wer sie sei und was sie tun oder nicht tun würde, wenn sie ihm in die Augen blickte. Hübsche Augen, ja; aber auch
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