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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
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Baumstämmen wahrgenommen hatte, war das Kleid einer Bauersfrau, die in der Stadt wohnte und drei kleine Felder außerhalb der Stadtmauern besaß. Liana bemerkte, daß die Frau regungslos dastand und so gefesselt war von dem, was sie offensichtlich beobachtete, daß sie Lianas leise Schritte nicht hörte. Neugierig wollte sich Liana an ihr vorbeischieben.
    »Mylady!« keuchte die Frau erschrocken. »Ich ... ich kam hierher, um Wa-Wasser zu holen.«
    Die Nervosität der jungen Bäuerin machte Liana nur noch neugieriger. »Was hast du denn so angestrengt beobachtet?«
    »Nichts Wichtiges. Ich muß jetzt gehen. Meine Kinder werden mich brauchen.«
    »Und du verläßt den See mit einer leeren Wasserkanne?« Liana rückte noch einen Schritt vor, blickte durch die Zweige eines Busches und wußte sofort, was die Frau so sehr gefesselt hatte. Dort lag ein prächtig aussehender junger Mann unter der Sonne im Gras: groß, breitschultrig, schmalhüftig, muskelbewehrt, mit einem kräftigen Kinn unter einem dunklen Schnurrbart und langen dunklen Haaren, die in der Sonne rötlich schimmerten. Liana betrachtete ihn von den Sohlen bis zum Scheitel, nahm mit geweiteten Augen den Anblick dieses fast nackten Körpers mit der honigfarbenen Haut in sich auf. Sie hatte keine Ahnung gehabt, daß ein Mann so schön sein könnte.
    »Wer ist er?« flüsterte sie der Bauersfrau zu.
    »Ein Fremder«, hauchte die Bauersfrau zurück.
    In der Nähe des Mannes lag ein kleiner Haufen Kleider aus grober Wolle. Nach dem Gesetz, das den Kleideraufwand regelte, konnte man häufig den Stand und das Vermögen einer Person nach den Gewändern schätzen, die sie trug. Dieser Mann hatte keinen Pelz bei seinen Kleidern, nicht einmal einen minderwertigen Pelzbesatz aus Kaninchenfellen, die den unteren Klassen zugestanden wurden. Auch sah sie kein Musikinstrument in seiner Nähe; also konnte es sich nicht um einen wandernden Sänger handeln.
    »Vielleicht ist er ein Jäger«, flüsterte die Bauersfrau. »Zuweilen kommen sie in den Wald, um Wild in Fallen für Euren Vater zu fangen. Da Eure Hochzeit ja unmittelbar bevorsteht, wird auch mehr Wild für die Tafel gebraucht.«
    Liana warf der Frau einen raschen Blick zu. Wußte denn jeder über ihr Privatleben Bescheid? Sie war hierhergekommen, um über ihre bevorstehende Heirat nachzudenken. Sie sah wieder hinüber zu dem Mann, der im Gras ausgestreckt lag: ein junger Herkules mit entspannten Muskeln. Ein Bild schlummernder Kraft, die nur darauf wartete, geweckt zu werden. Wenn doch Lord Stephen so ausgesehen hätte — ihr wäre das Heiraten sicherlich nicht so schwergefallen. Selbst im Schlaf ging von diesem Mann mehr Kraft aus als von Lord Stephen in voller Rüstung. Sie lächelte einen Moment, während sie sich vorstellte, wie sie Helen erzählte, sie habe sich dazu entschlossen, einen einfachen Jäger zu heiraten; aber dann erlosch ihr Lächeln wieder, weil sie bezweifelte, daß dieser Mann sie haben wollte, wenn sie ihm nicht einen Wagenzug voller Silber und Gold mit in die Ehe brachte. Nur einen Tag lang wäre sie gern ein Bauernmädchen gewesen, um herauszufinden, ob sie Frau genug war, einen hübschen Mann für sich zu interessieren.
    Sie drehte sich der Bauersfrau zu. »Zieh dein Kleid aus.«
    »Mylady?«
    »Zieh dein Kleid aus und gib es mir. Dann kehrst du zur Burg zurück, suchst dort meine Magd Joice auf und sagst ihr, daß niemand nach mir suchen soll.«
    Die Frau erblaßte. »Eure Magd wird niemals mit einer Frau meines Standes reden.«
    Liana zog einen Smaragdring vom Finger und gab ihn der Frau. »Nicht weit von hier entfernt treibt sich ein Ritter herum, der vermutlich nach mir sucht. Gib ihm den Ring, und er wird dich zu Joice bringen.«
    Der Ausdruck der Frau wechselte von Furchtsamkeit zu hinterhältiger Schläue. »Es ist ein hübscher Mann, nicht wahr?«
    Liana blickte die Frau mit schmalen Augen an. »Wenn ich auch nur ein Wort von dieser Sache im Dorf höre, wirst du das bitter bereuen. Und nun entferne dich.« Sie schickte die Frau weg, die jetzt nur ein grobes leinenes Untergewand trug, weil Liana nicht zulassen wollte, daß der schmutzstarrende Leib dieser Frau mit dem Samt ihres Gewandes in Berührung kam.
    Das Kleid der Bäuerin, das Liana nun anzog, unterschied sich erheblich von ihrem Gewand mit der hochgezogenenTaille und dem langen Rock. Das kratzende Wollgewebe bestand aus einem Stück, das sich vom Hals bis unter die Hüften auf die Haut legte und die schlanken Kurven ihres
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