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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Tullio Avoledo
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schmale Bänder auf den Brusttaschen der Tarnanzüge. Darüber ist ein Wappen aus grauem Stoff aufgenäht, mit den gekreuzten Schlüsseln Petri unter einem Baldachin: das Symbol der Sedisvakanz. Rom ohne Papst.
    Es vergehen fast zwei Stunden, bis sich die Tür des Kardinalbüros öffnet, und endlich lässt mich die Wache eintreten.
    Der Kardinal und Camerlengo Ferdinando Albani ist ein kleiner, pummeliger Mann mit dicken Wurstfingern. Fettleibigkeit sieht man in diesen Zeiten selten.
    Vielleicht drücke ich ihm etwas zu lange die Hand, denn er zieht sie mit einem Ruck zurück.
    »Kommen Sie herein, Pater Daniels. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht früher empfangen habe, aber ich musste mich um eine dringende Angelegenheit kümmern.«
    Der Kardinal setzt sich hinter einen großen, alten Schreibtisch, der sehr schwer zu sein scheint. Ich frage mich, wie viel Mühe es gekostet hat, ihn hier herunterzubringen. Wie viele Leben. Auch der Bücherschrank hinter ihm wirkt sehr alt und enthält in Leder gebundene Bücher. Es stehen mindestens zweihundert hinter dem gravierten Glas. Wahrscheinlich ist es die größte Büchersammlung, die das Leid überstanden hat.
    Ich bin zum ersten Mal hier. Der Kardinal lächelt, als er bemerkt, dass ich zur hohen Decke sehe und ihre alten Fresken betrachte.
    »Interessieren Sie sich für Kunst?«
    Ich räuspere mich. »Nicht mehr.«
    Albani deutet auf ein Bild in einem kleinen Abschnitt der Decke: Jesus mit dem Evangelium in der Hand. »Christus Pantokrator«, sagt er mit einem Stolz, der mir übertrieben erscheint, denn das Fresko ist alles andere als ein Kunstwerk.
    Der Kardinal zeigt auf das Bild daneben. »Der heilige Urban, Papst und Märtyrer.«
    Albani steht auf, wobei der Stuhl unter ihm knarrt, und geht zur Wand links vom Schreibtisch.
    »Bevor dies zu meinem Arbeitszimmer wurde, war es die Krypta der heiligen Cäcilia. Ihr Sarkophag stand hier. Ich zeige es Ihnen.«
    Langsam zieht er einen Vorhang aus rotem Samt beiseite. Dahinter kommt eine Nische zum Vorschein. Das Licht der Kerzen fällt auf die marmorne Statue einer mit dem Gesicht zur Wand liegenden Frau.
    Die Stimme des Kardinals bekommt einen beinahe melodischen Klang, als er sagt:
    »Die h eilige Cäcilia … Der große Bildhauer Stefano Maderno stellte sie so dar, wie sie bei der Sargöffnung um 1599 gefunden wurde. Achten Sie auf die Finger. Bei der rechten Hand drei gestreckt und bei der linken einer. Selbst im Tode blieb die Heilige der Tradition treu und zeigte ihren Glauben an die Einheit und Dreifaltigkeit Gottes. In dieser Nische stand ihr Sarkophag bis zum Jahr 821.«
    Der Kardinal seufzt und zieht den Vorhang wieder zu.
    »Diese Statue ist leider nur eine Kopie. Das Original …«
    Er vollführt eine Geste, die der Oberfläche gilt, und fügt ihr ein Schaudern hinzu.
    Für immer verloren, lautet seine Botschaft.
    Wie alle Dinge oben.
    Albani setzt sich wieder an seinen Schreibtisch.
    »Möchten Sie etwas trinken?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Nein, danke.«
    »Ich glaube, wir haben noch den einen oder anderen Teebeutel. Wie wäre es mit einer Tasse?«
    »Besser nicht. Ich habe lange genug gebraucht, den Geschmack von Tee oder Kaffee zu vergessen. Lassen wir die alten Sehnsüchte ruhen.«
    »Also Wasser«, sagt der Prälat und lächelt.
    Er klatscht zweimal. Hinter einem Vorhang auf der gegenüberliegenden Seite des Raums tritt ein Alter hervor, sein dunkler Anzug so verschlissen, als stammte er von irgendeinem Müllhaufen.
    »Anselmo, bitte sei so nett und bring Pater Daniels frisches Wasser und mir einen Tee. Danke.«
    Der Alte verbeugt sich und verlässt den Raum.
    »Anselmo stand in den Diensten des Papstes«, sagt der Kardinal leise. »Ihm verdanken wir den Bericht über die letzten Stunden des verstorbenen Pontifex. Es ist ein Wunder, ein wahres Wunder, dass er mit dem Leben davongekommen ist.«
    Hier unten in den Kellern kennen wir alle die Umstände, unter denen der Papst ums Leben kam. Die Geschichte wird immer wieder erzählt, in allen Einzelheiten. Seine letzte Ansprache vom Balkon aus, vor einem Petersplatz mit zweihunderttausend Gläubigen. Fünfmal so viele standen außerhalb der Kolonnaden oder knieten im Gebet. Der Papst hatte Gott um Gnade angerufen und Seinen Schutz für Rom und die Welt erfleht. Seine letzten Worte verloren sich im Heulen der Sirenen, die seit dem Zweiten Weltkrieg stumm gewesen waren.
    Die Bombe war kurze Zeit später gefallen, fünf Kilometer nordöstlich des
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