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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Autoren: Alfred Assolant
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Nacht, in der Louison mir das Leben gerettet hatte, trennten wir uns niemals mehr. Ich bitte Sie deshalb, die Eigenmächtigkeit zu entschuldigen, meine Tigerin mit hierhergebracht zu haben, meine Herren. Ich hatte sie im Vorzimmer gelassen, aber der Saaldiener wird sie gesehen und es mit der Angst gekriegt haben. Er hat die Tür verbarrikadiert und die Sturmglocke geläutet, um Hilfe herbeizuholen.“
    „Das alles ändert nichts daran“, sagte der Präsident mit einem bedauernden Unterton in der Stimme, „daß wir durch Ihren Fehler – oder besser durch den Fehler von Mademoiselle Louison und des Portiers – den ganzen Nachmittag in Gesellschaft eines wilden Tieres verbringen mußten und daß unsere Mahlzeit inzwischen kalt geworden ist.“
    Hier wurde – was an diesem denkwürdigen Nachmittag ja nun wirklich nichts Ungewöhnliches mehr war – der Präsident der Wissenschaften zu Lyon wiederum durch einen entsetzlichen Lärm unterbrochen. Trommelwirbel war zu vernehmen, und einige Dutzend Köpfe reckten sich zum Fenster hinaus.
    „Gott sei Dank!“ schrie der ständige Sekretär. „Die Nationalgarde rückt an! Wir werden befreit!“
    Und tatsächlich füllten etwa dreitausend Personen die umliegenden Straßen und den Platz vor der Akademie. Eine Infanteriekompanie stand mit angelegtem Gewehr dem Akademiegebäude gegenüber. Ein Polizeikommissar, mit einer dreifarbigen Schärpe umgürtet, tauchte auf dem Platz auf, gab den Trommlern ein Zeichen zu schweigen und rief mit schriller Stimme: „Im Namen des Gesetzes, ergebt euch!“
    „Herr Kommissar“, schrie der Präsident aus einem der Fenster zurück, „es geht nicht darum, daß wir uns ergeben, sondern daß man uns das Tor öffnet!“
    Der Kommissar gab alsdann den Arbeitern, die er in weiser Voraussicht mitgenommen hatte, ein Zeichen, das Eingangstor von allen Hindernissen zu räumen, die der Saaldiener der Akademie aufeinandergetürmt hatte, um Louison den Weg zu versperren.
    Als sein Befehl ausgeführt war, schrie der Offizier, der die Infanteriekompanie befehligte und der zeigen wollte, daß er auch etwas zu sagen hatte:
    „Legt das Gewehr – an!“
    Und so standen die braven Soldaten, bereit, Louison zu füsilieren, sobald sie sich zeigen würde.
    „Meine Herren“, sagte Corcoran zu den Akademiemitgliedern, „Sie können hinausgehen. Wenn Sie in Sicherheit sind, werde auch ich das Gebäude verlassen. Haben Sie keine Angst.“
    „Vor allem, Kapitän, keine Unvorsichtigkeiten!“ legte ihm der Präsident ans Herz, indem er ihm die Hand schüttelte und adieu sagte.
    Die Akademiemitglieder machten, daß sie hinauskamen. Louison betrachtete sie erstaunt und schien willens, sich an ihre Fährten zu heften, aber Corcoran hielt sie zurück.
    Als sie beide allein in dem Gebäude zurückgeblieben waren, hieß Corcoran die Tigerin, ihm in den Sitzungssaal zu folgen. Dort beugte er sich über die Fensterbrüstung, um mit dem Kommissar zu sprechen.
    „Herr Kommissar“, rief er hinaus, „ich bin bereit, meine Tigerin friedlich hinauszuführen, wenn man mir verspricht, daß ihr kein Haar gekrümmt wird! Wir werden geradewegs zu meinem Dampfschiff gehen, das auf der Rhone ankert, und ich verspreche Ihnen, Louison in meiner Kabine einzuschließen, so daß sie niemand mehr erschrecken wird.“
    „Nein! Nie und nimmer! Tod dem Tiger!“ schrie die Menge, die bei dem Gedanken an eine Tigerjagd schier aus dem Häuschen geriet, vor Begeisterung.
    „Verschwinden Sie, Monsieur!“ rief der Kommissar.
    Corcoran versuchte es noch einmal, aber nichts konnte den pflichteifrigen Beamten umstimmen.
    Also ging der Mann aus Saint-Malo zum Schein auf die Forderung des Kommissars ein. Er beugte sich zu Louison hinab und umarmte sie zärtlich. Man hätte meinen können, er flüstere ihr etwas ins Ohr. „Sind diese Mätzchen bald zu Ende!“ belferte der Offizier.
    Corcoran betrachtete ihn mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß.
    „Ich bin bereit“, sagte er schließlich, „aber ich bitte Sie, schießen Sie nicht, bevor ich durch das Tor gekommen bin. Ich möchte nicht mitansehen müssen, meinen einzigen Freund vor meinen Augen sterben zu sehen.“
    Man fand sein Ersuchen vernünftig, und einige Personen begannen sogar, auf das Schicksal Louisons Wetten abzuschließen. Die Tigerin hatte sich hinter der Saaltür ausgestreckt und beobachtete Corcoran, der die Treppe hinunterschritt. Sie zeigte sich nicht, als würde sie die Gefahr ahnen, die sie bedrohte. Draußen
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