Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
nur lang genug warten, dann würdest du schon zu mir zurückkommen. Aber ich habe das Warten satt. Ich kann damit leben, das Haus zu verlieren. Das lässt sich ersetzen. Aber du – du bist unersetzlich. Ich kann nicht Tappan Square und dich verlieren. Nicht wegen eines blöden –«
    Sie hielt die Luft an. Wenn er Zauber sagte, wüsste sie nicht, was sie tun sollte.
    »Einkaufszentrums«, beendete er seinen Satz.
    Sie ließ den Kopf sinken; sie wollte nicht, dass er sie weinen sah, konnte jedoch auch nicht damit aufhören. »Ich habe dich so sehr vermisst«, sagte sie. »Ich habe tausendmal am Tag an dich gedacht.«
    Er setzte sich neben sie auf die Treppe und drückte sie an sich. Sie widersetzte sich nicht, sondern presste ihr Gesicht in die warme Vertiefung zwischen seinem Hals und seinem Mantel. Sie hielt sich an ihm fest, als würde sie ertrinken, und ließ ihn nicht mehr los. Sie spürte seinen Kuss auf ihrem Haar. Er flüsterte: »Ich weiß, dass du es gut gemeint hast.«
    Sie schluchzte in seinen Mantel.
    »Lass es uns wiedergutmachen«, sagte er. »Wir können es, das weiß ich.«
    »Wie?«, schniefte sie. »Die Regeln der Strickerei sind eindeutig. Was einmal geopfert wurde, kann man nicht wieder zurückbekommen.«
    Er schwieg. Sie spürte, wie sich seine Muskeln versteiften. Seine Hände, die eben noch über ihren Rücken, ihre Schultern, ihr Haar gestrichen hatten, verharrten reglos. Er zog sich zurück. »Ich kann dich nicht bitten, deine Grundsätze für mich aufzugeben. Das werde ich nicht tun. Aber wenn es eine Möglichkeit gäbe, wenn du irgendwie … Ich weiß nicht. Wenn du …«
    Plötzlich überkam sie ein Impuls, und sie gab ihm nach, ließ sich von der Welle mitreißen. Sie beugte sich vor und küsste ihn. Er umschlang sie mit den Armen, und sie griff in seine Jacke, die noch feucht von Schnee und Kälte war. Sie küsste ihn und wurde überwältigt davon, wie groß diese Sache war. Mit dem Mann zusammen zu sein, den sie liebte, fühlte sich überhaupt nicht wie ein Verrat an ihren Prinzipien an, sondern wie eine Befreiung – von all den Grenzen und Einschränkungen und den Regeln, was Magie war und was nicht, von den Theorien darüber, wie Magie funktionierte und wie nicht, von all den hilflosen Versuchen, etwas zu bestimmen, das sich einfach nicht bestimmen ließ. Die Strickerei hatte ihr eine Sache glasklar vor Augen geführt, die sie erst jetzt erkannte: Was auch immer die Hüterinnen der Familie Van Ripper als Magie bezeichnet hatten, war, wenn überhaupt, nur ein sehr kleiner Teil davon, was sie wirklich bedeutete.
    Vic hörte abrupt auf, sie zu küssen, und nahm ihr damit den Atem. »Ich möchte nicht, dass du das hier später bereust.«
    »Das werde ich nicht.«
    »Was ist mit den Regeln?«
    »Die Regeln werden von uns gemacht«, erwiderte sie.
    Sie ergriff Vics Hand und zog ihn mit einem leichten Triumphgefühl die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür hinter ihnen und küsste ihn erneut, bis die Wände der Strickerei sich in Gummi zu verwandeln schienen und der Boden unter ihnen wankte. Sie liebtensich inmitten der Pappkartons, der zugebundenen Mülltüten voller Bettdecken und der hohen Stapel von Strickbüchern. Alles, was schiefgelaufen war, führte auf irgendeine Weise hierher – zu diesem Gefühl, das richtig sein musste, zu ihrem keuchenden Atem, dem Knirschen der alten Dielen unter ihren Bewegungen und dem Schnee, der gegen die Fenster rieselte und sich sanft auf ihre Nachbarschaft legte, die bald verschwinden würde, ob es ihnen gefiel oder nicht.
    * * *
    Nach und nach büßte der Winter seine Herrschaft ein, und die Landschaft besänftigte sich und erblühte. Lila Krokusse kämpften sich in den Gärten zwischen den Steinen hervor; als Nächstes versammelten sich die Narzissen wie eine Reihe Soldaten vor der Christ Episcopal Church, und schließlich ergossen sich die Forsythiensträucher über ganz Sleepy Hollow wie eine Flasche Champagner. Tappan Square war wie ausgestorben, die Abrissarbeiten hatten begonnen. Die Strickerei wich nicht kampflos – in ihrem letzten Gefecht zeigte sie sich starrköpfig und standhaft, und die Bauarbeiter verfluchten ihre ungewöhnlich sturen Verandapfosten und ihren Schornstein, der sich keinen Millimeter von seinem Fundament wegbewegen lassen wollte. Aber schließlich siegte die moderne Technologie, und das Gebäude wurde von Baggern und Planierraupen zermalmt. Ein paar der Bauarbeiter behaupteten, im Staub, der aus den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher