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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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flüchtete sie sich in noch mehr Glaubenseifer.
    Bald sollte ich einem noch größeren Lump, als ich einer war, begegnen. Vincenzo Gonzaga, der älteste Bruder der neuen Erzherzogin, machte Station in Innsbruck auf dem Weg nach Prag.
    Zur Erheiterung hatte er die Compagnia dei Comici Gelosi dabei, die vor beweglichen Kulissen Possen vollführte. Dabei war Vincenzo doch schon Possenreißer genug.
    Schon bei der Begrüßung düpierte er seine kleine Schwester. „Du siehst aus wie ein Fass“, stichelte er.
    Ferdinand hielt die Tränen seiner Gattin für Freudentränen.
    Wohl hatte sie an Gewicht zugelegt und ihre taillierten, goldenen Prunkkleider für die unförmige spanische Hoftracht abgelegt.
    In Innsbruck war Vincenzo allen noch als Spieler bekannt. Und als ausgemachter Betrüger. Auch mir hatte er den Beutel geleert.
    Diesmal mühte sich die Gonzaga, ihren Bruder von seinem ausschweifenden Lebenswandel abzubringen. So erfolgreich wie bei ihrem Mann.
    Beim Begrüßungsdiner saßen der lustige Tischrat Frank und ich Vincenzo gegenüber.
    Ich wollte wissen, ob der Italiener immer noch jedes Spiel gewänne. Dazu machte der Tischrat Gesten, so, als ob er Spielkarten aus seiner Nase und seinem Ärmel ziehe.
    Vincenzo spuckte uns beiden ins Gesicht. Als ob dies nicht genug der Beleidigung sei, bewarf uns der zukünftige Fürst von Mantua noch mit Löffeln voller heißer Suppe.
    Die kleine Gonzaga hielt sich die Hände vors Gesicht und mein Herr wurde bleich vor Wut.
    Man eilte zur Zerstreuung, da an der Tafel keine rechte Stimmung mehr aufkommen wollte. Vincenzo hatte ohnedem das bäuerliche Mahl bemäkelt.
    Mein Herr wollte seinen Gast und Schwager mit einer neumodischen Darbietung beeindrucken, wobei Instrumentalmusik und der Gesang von Kastraten einander ablösten. Die hatte seine musikbegeisterte neue Gattin aus Italien beschaffen lassen, zu abenteuerlichen Kosten.
    Schon bei der Brautschau in Mantua hatte der alte Gonzaga dem zukünftigen Schwiegersohn einen gewissen Monteverdi aus Cremona empfohlen. Genau dieser sollte nun mit Ferdinands Musikern, den Kapellknaben und einigen Kastraten den Abend retten.
    Während Monteverdi mit den Armen herumfuchtelte und die Kastraten ihre weibischen Stimmen an- und abschwellen ließen – ein Thomele hätte dies auch vermocht – und in Frauenkleidern über die Bühne stolzierten, neigte ich mich zu Vincenzo hin:
    „Die Suppe war gut“, flüsterte ich.
    Nach der Vorstellung traf er mich in einem Gang der Hofburg und schlug mich mit den Fäusten bis zur Bewusstlosigkeit. Ohne ein Wort der Warnung.
    Dieser Verwandtschaftsbesuch trieb einen noch tieferen Keil zwischen die Eheleute. Mir hatte Vincenzo die Lust an meinem Beruf gänzlich vergällt. Doch was sollte ein nicht mehr ganz taufrischer Amüsierzwerg fortan tun?
    In seinem fünfundsechzigsten Jahr verfiel mein Herr massiv. Er sah und hörte schlecht. Alte Turnierwunden schmerzten und von der Völlerei brachen ihm die Beine auf. Doch von mir wollte er sich nicht behandeln lassen.
    „Ein Stumpen ist keine Philippine“, meinte er. So schnitt Dr. Handsch in Ferdinands faulem Fleisch herum.
    Die Gonzaga war jetzt so fettleibig geworden, dass ihr das Gehen und Stehen eine Last war. Ihre Bittprozessionen absolvierte sie meist aus einer sargartigen Sänfte heraus, die eigens ausgewählte Muskelmänner stemmten.
    Im Januar 1595 starb mein Herr unter Qualen. Übel riechende Säfte flossen tagelang aus ihm heraus. An Frau und Töchter konnte er kein Wort des Abschieds mehr richten, auch an seinen Thomele nicht. Karl von Burgau und Kardinal Andreas waren gar nicht erst am Totenbett des Vaters erschienen. Ohne Philippines Vermittlungskünste hatten sich die Söhne bald mit dem Vater zerstritten, vor allem der großspurige Herr Kardinal.
    Monate nach seinem Tod hatte die Gonzaga Ferdinands Sarg immer noch nicht in die Silberne Kapelle überführen lassen, wie von meinem Herrn ausdrücklich gewünscht, der nahe bei Philippine ruhen wollte.
    Das sei eine Sünde, die sie würde büßen müssen, sagte ich zu ihr. Woraufhin sie mich hinauswerfen ließ.
    Mein Weg führte in ein Gestrüpp unweit von Böhmen und endete dort. Auch mich will man nicht heimkehren lassen.
    Nun ruiniere ich eine geliehene Protestantenbibel mit Erinnerungen, die ich bequemer hätte aufschreiben können.
    Immer wenn ich nach dem Federkiel greife, dröhnt das Bierkutscherlachen der Loxan in mir.
    „Das Buch des rechten Glaubens verschmierst du, um dich wichtig zu
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