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Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste
Autoren: Michael Lentz
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zu wissen, hatte er an einem Ereignis von großer Tragweite teilgenommen.
    Er hatte den ersten Witz der Welt gehört.
    Bald verließen die behaarten Männer ihre Bäume und Höhlen und bauten sich Hütten aus Steinen und Lehm. Sie lebten in Gruppen, um sich vor wilden Tieren zu schützen, und wählten Anführer. Eigentlich stimmt das so nicht. Die Anführer wählten sich in der Regel selbst, indem sie alle übrigen Aspiranten mit der Keule totschlugen. Dies rief natürlich heftige Kritik hervor, aber niemand beklagte sich. Aus Angst, er würde wie die anderen kurzerhand ins Jenseits befördert.
    Bis dann eines Tages ein behaarter Mann, der einen Tick mutiger war als der Rest, bei einer Stammesversammlung aufstand und mit dem Kopf wackelte. Und zwar genau so, wie der Anführer mit
seinem
Kopf wackelte.
    Sekundenlang herrschte Stille, während sich die beiden Männer kopfnickend und kopfwackelnd gegenüberstanden. Dann hörte der Anführer auf.
Jetzt passiert’s ,
dachten die zitternden Untertanen. Aber nein. Der Anführer glotzte, schluckte und bog sich vor Lachen. Und da erhob sich der ganze Stamm und fiel in sein Lachen ein. Sie prusteten, schlugen sich auf die Rippen und kugelten sich vor Vergnügen auf der Erde.
    Das politische Kabarett war geboren.
    (Später zog der Anführer den Imitator hinter einen Felsen und knüppelte ihn tot. Somit etablierte er den Sachverhalt, dass diese Art Humor denjenigen, der ihn auszuüben wagt, sehr teuer zu stehen kommt.)
    In jener Zeit war das Leben einfacher, weil es nur zehn Regeln gab, eine für jeden Finger. Aber auch für einfingrige Stämme galt die eine Grundregel:
Hände weg von meiner Frau!
    Daher war es unvermeidlich, dass eines Tages ein behaarter Mann, neugieriger als die anderen, einem Paar in den Wald folgte. Hinter einem Baum versteckt, sah er gebannt zu, wie die beiden alle möglichen akrobatischen Übungen vollzogen, auf die ausnahmslos – nach Regel vier oder Regel eins, je nach Anzahl der Finger – die Todesstrafe stand.
    Er konnte es kaum abwarten, seinen behaarten Freunden von seiner köstlichen Entdeckung zu berichten; und ebenso wenig konnte er widerstehen, die Schilderung aus Gründen der Dramaturgie weiter auszuspinnen.
    Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die ausschließlich männlichen Zuhörer (in jenen Tagen hatte noch niemand von Alice Schwarzer gehört) benahmen sich so, als wäre etwas Sensationelles passiert.
    Das war auch der Fall. Der
schmutzige
Witz war auf der Welt.
    (Diese Art Witz unterscheidet sich übrigens von den beiden anderen, weil er sich seit seiner Entdeckung zur Zeit der Neandertaler um keinen Deut entwickelt hat.)
    Später, als Dörfer zu Städten und Stämme zu Nationen wurden, lachten die Männer dieser Erde in vielen verschiedenen Enklaven. Um mündig zu werden, musste der Witz emanzipiert werden; er musste von seiner geografischen Lage und Sprache befreit werden und seinen Platz auf einem internationalen Markt einnehmen. DieLösung kam nach dem Zweiten Weltkrieg. Und zwar in Gestalt des Flugzeugs.
    Flugreisen wurden Anfang der fünfziger Jahre populär – und mit ihnen ging der Witz auf Reisen. Piloten schnappten in Hamburg eine Geschichte auf, und 18 Stunden später lachten Leute in New York darüber. Genauso ging’s in umgekehrter Richtung.
    Flughäfen wurden rasch zum Zentrum des internationalen Humors. Piloten, Stewardessen und Passagiere ließen ihre Koffer fallen, schlugen sich auf die Knie und lachten.
    Sie brachten uns Witze aus Australien. Beispielsweise den von dem Känguru …

    …das plötzlich anfängt, sich den Bauch zu kratzen. Schließlich zieht es ein Kängurubaby heraus, schüttelt es wild und schreit: »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst im Bett keine Kekse essen?«

    Oder die Geschichte von der afrikanischen Elefantendame.

    Sie war auf einen Strauch getreten, und nun steckte ein langer Dorn in ihrem Fuß. »Kann ich dir helfen, Schätzchen?« , fragte eine kleine Maus. Die Elefantendame hob den Fuß. »Könntest du das bitte herausziehen?« Die kleine Maus machte sich an die Arbeit und hatte den Dorn nach kurzer Zeit mit den Zähnen herausgezogen. Voller Dankbarkeit fragte die Elefantendame:
    »Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?«
    »Ich würde gern mit dir schlafen« , sagte die Maus.
    »In Ordnung« , entgegnete die Elefantendame.
    Die kleine Maus kletterte hoch und gab sich redliche Mühe, aber die Elefantendame spürte, natürlich , überhaupt nichts. Nach einigen Minuten wurde ihr
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