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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman
Autoren: Random House
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Gegenzug habe ich ihn als faul und nutzlos beschimpft, ihn sogar verspottet, weil er volltrunken auf dem Heimweg von der Legion auf eisglatter Straße ausgerutscht ist und sich den Rücken gebrochen hat. »Und wer ist jetzt hier ungeschickt?«, habe ich gehöhnt, als er sich im Bett vor Schmerzen krümmte. Ich habe ihn angebrüllt, ihm vorgeworfen, dass er nicht während der Arbeit, auf der Eisbahn, gestürzt sei, weil er dann wenigstens finanziell versorgt wäre. »Nicht mal richtig ausrutschen kannst du«, habe ich ihn angefaucht.
    Ich liebe meinen Mann nicht auf die Art, wie es die meisten Ehefrauen tun, obwohl ich es viele Jahre lang versucht und auch so getan habe, als ob. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, denn ich hatte nie einen anderen Mann.
    Achtzehn Jahre zuvor: Prissy hat mich überredet, sie zum Strand zu begleiten, damit sie sich mit Ryan Vogel treffen kann. Es ist einer der seltenen wirklichen Sommerabende, an denen man nach Sonnenuntergang auf die Jacke verzichtet. Das Ganze entwickelt sich zu einer Party. Als wir eintreffen, zischen und knistern schon ein Dutzend Lagerfeuer und sprühen Funken in den Himmel. Ich kenne die meisten Leute von der Schule, und sie scheinen einen Heidenspaß zu haben. Es wird getanzt, mit Bier und Zigarette in den Händen. Prissy drückt meine Hand, als wollte sie bestätigen: »Ich sag doch, das wird super!« Nachher stehen bestimmt alle am Ufer und kotzen, aber im Moment ist die Stimmung absolut euphorisch.
    Ryan Vogel entdeckt Prissys Blondschopf ziemlich schnell unter all den braunhaarigen Mädchen und verschwindet gleich mit ihr im Gebüsch, um sie zu befummeln. Ich bleibe alleine zurück, setze mich auf ein Stück Treibholz und schaue ins Feuer. Ich hocke dort so lange, bis mir die Beine vom Sitzen schmerzen, aber gehen will ich auch nicht, um nicht aufzufallen. Ich beobachte, wie sich Paare finden und sich Stellen am Strand suchen, wo sie rummachen können, und wünsche mir, ich wäre jemand anders. Als sich Ches zu mir setzt, muss das ein Versehen sein. Wahrscheinlich ist er über das Treibholz gestolpert.
    Ich kenne Ches nicht persönlich. Er ist letztes Jahr von der Schule geflogen, weil er sich vor seiner Matheprüfung drücken wollte und deshalb eine Bombendrohung vorgetäuscht hatte. Meine Mutter hat mir eingeschärft, mich unbedingt von Ches fernzuhalten, weil er innerhalb der nächsten fünf Jahre garantiert im Gefängnis landen werde.
    Ob Ches mich ins Gebüsch zerren und vergewaltigen wird? Der Gedanke ist auf eine primitive Art so erregend, dass mein Puls rast. Aber Ches hält mir kein Messer an den Hals. Er bedroht mich in keiner Weise. Stattdessen bietet er mir einen Schluck von seinem Bier an. Ich trinke durstig, der bittere Schaum läuft mir wohlig die Kehle hinunter.
    »Wow, Mensch, mach langsam, dir wird noch schlecht«, sagt er und greift nach der Flasche. »Du bist doch sicher nix gewöhnt.«
    Ich zucke mit den Schultern, denn ich weiß darauf nichts zu erwidern. Er hat recht, ich bin Alkohol nicht gewöhnt, aber das muss er ja nicht wissen.
    Offenbar glaubt er, dass er mich beleidigt hat, denn Ches geht zu einem Kasten Bier, öffnet eine Flasche mit den Zähnen, was mich sehr beeindruckt, und gibt sie mir.
    »Hier. Dann mach mal.«
    Das ist so gut wie eine Einladung zu einem Drink, und ich fühle mich sehr geschmeichelt, denn Bier ist den Jungs heilig. Ich trinke schnell, und mir wird schwindelig. Er lächelt mir aufmunternd zu, und meine Wangen brennen. Er wirkt gar nicht so furchteinflößend. Im Gegenteil, wenn man sich die zerrissene Jeansjacke und das lange strähnige Haar wegdenkt, sieht er sogar ganz süß aus. Beim Lächeln zeichnet sich auf einer Seite ein Grübchen ab, und seine braunen Augen erinnern mich an einen verlassenen Welpen. Was auch immer in dem Moment in mich fährt, jedenfalls will ich plötzlich unbedingt, dass Ches mich so mag, wie Ryan Vogel Prissy mag. Sie ist zwar dünner und hübscher, aber ich habe andere Vorzüge.
    »Findest du mich hübsch?«, frage ich, bevor ich unter dem Einfluss des Biers in einen verlegenen Kicheranfall ausbreche. Ich vergrabe das Gesicht in den Händen, doch ich spüre seine Blicke auf mir. Er denkt über die Frage nach. Wie soll er zu einer Antwort kommen, wenn er mein Gesicht nicht sehen kann? Also nehme ich die Hände weg. Ches starrt auf meine Brüste.
    »Du hast große Titten«, sagt er sachlich. »Ihr dicken Mädchen habt fast alle schöne Titten.«
    Als unsicherer,
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