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Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe
Autoren: Carter Brown
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nicht?«
    »Es ist beinahe zuviel«, sagte
ich. »Gute Nacht. Viele Grüße an Cornelius.«
    Ich schaffte es schließlich,
bis zu Annabelle vorzudringen, und verwandelte die lauschige Zweisamkeit in
eine grausige Dreisamkeit . »Hatten Sie einen Hut oder
sonst was?« fragte ich Annabelle. »Wir gehen.«
    »Lassen Sie sich nicht
aufhalten«, sagte sie forsch.
    »Kommen Sie, ich bin hungrig.
Wir essen auf dem Rückweg irgendwo zu Abend.«
    »Was ist los, Al?« gurrte
Annabelle boshaft. »Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie hätten sich nicht an die
Hors d’oeuvres gehalten! Und gratis waren sie auch
noch.«
    »Ich mag mir meinen guten
Scotch nicht vermantschen«, sagte ich. »Alles zu seiner Zeit. Kommen Sie?«
    »Zufällig, Lieutenant«, sagte
Romair kalt, »besitze ich ein Auto. Ich werde Miss Jackson gern nach Haus
fahren.«
    »Danke«, sagte Annabelle. »Gute
Nacht, Lieutenant. Es war sehr nett — nicht mit Ihnen zusammen gewesen zu sein,
meine ich.«
    »Das ist der zweite Kampf, den heute abend hier jemand gewonnen hat«, sagte ich und zog
mich in Richtung der Tür zurück.
    Diesmal schaffte ich es, ohne
daß jemand versucht hätte, mich aufzuhalten. In gewisser Weise war ich
enttäuscht. Ich trat in die Dunkelheit hinaus und blieb einen Augenblick lang
stehen, um mir eine Zigarette anzuzünden. Dann sah ich vage eine dunkle Gestalt
vor mir auftauchen.
    »Gehen Sie irgendwohin,
Lieutenant?« fragte eine kühle heisere Stimme.
    »Nach Hause«, sagte ich.
    »Ohne diese entzückende kleine
Blonde mit dem südlichen Akzent?«
    »Sie hat sich soeben von mir
losgesagt«, erklärte ich.
    »Ich habe dort drüben eine
Hütte«, sagte sie. »Wollen Sie vor der Fahrt bergab nicht noch etwas zu sich
nehmen?«
    »Sie meinen einen Drink?«
    »Das kommt darauf an,
Lieutenant.« Ihre Stimme war noch heiserer geworden. »Woran haben Sie denn gedacht?«
     
    Ich band meine Krawatte, fuhr
mir mit den Händen durchs Haar und hoffte, daß mir der Kopf nicht von den
Schultern fiele. Dann nahm ich meine Jacke und zog sie an.
    Candy betrachtete mich träge.
Sie lag in einem Schaumbad aus schwarzen Spitzen auf der Couch. »Gehen Sie
irgendwohin, Lieutenant?«
    »Es ist wundervoll gewesen«,
sagte ich. »Es tut mir leid, daß ich vergessen habe, meinen Drink zu trinken.«
    »Ich habe es nicht einmal
bemerkt«, sagte sie träumerisch. »Würdest du gern ein paar Immobilien
mitnehmen?«
    »Wozu?« fragte ich. »Früher
oder später würde mir Conrad Hilton doch ein Angebot darauf machen. Was soll
ich mit all dem Geld anfangen?«
    »Du könntest noch mehr
Immobilien dafür kaufen«, sagte sie. »Rufst du mich wieder an, Al?«
    »Gib mir deine Nummer.«
    Candy gab mir die Adresse eines
protzigen Appartementhauses in der Stadt und ihre Telefonnummer. Dann gähnte
sie sachte und streckte die Arme träge über den Kopf. Der Wasserspiegel des
schwarzen Schaums sank mit einem Ruck bis zu ihrer Taille hinab. Ich betrachtete
sie für einen lange währenden Augenblick. »Vielleicht ändere ich doch noch
meine Absicht«, sagte ich. »Möglicherweise stürmt es draußen heftig.«
    »Solange es nicht dieser blonde
Sturm aus dem Süden ist, ist es mir egal«, sagte sie. »Wiedersehen, Al.«
    Ich verließ die Hütte und
schloß leise die Tür hinter mir. Die Morgendämmerung umgab mich mit blassem
Licht, das stetig stärker wurde, in ausgesprochenem Gegensatz zu Al Wheeler.
Ich erinnerte mich, daß der Austin Healey irgendwo in der Nähe der Stelle geparkt
war, wo der Prophet sein Geschwätz vom Stapel gelassen hatte.
    Ich zündete mir eine Zigarette
an und schlenderte los. Alles in allem hatte sich die Party doch noch
erfreulich entwickelt. Ich erreichte den Healey, glitt auf den Vordersitz und steckte
den Schlüssel ins Zündschloß . Ich warf noch einen
Blick auf den äußersten Ausläufer des Bald Mountain und sah dann noch einmal
genauer hin.
    Wie gesagt, wurde das
Morgenlicht mit jeder Minute stärker. Die scharfen aseptischen Umrisse des
Altars zeichneten sich klar gegen den Himmel ab. Nur sah die obere Kante nicht
mehr scharf und aseptisch aus. Irgendwie wirkte sie verschwommen.
    Ich stieg aus und kletterte den
Weg zum Altar empor. Dort blickte ich auf das, was die klare Silhouette
zerstört hatte, zog an meiner Zigarette und inhalierte den Rauch tief in die
Lunge.
    Die unbekleidete Leiche Julia
Grants lag ausgestreckt auf dem Altar, und ihre Augen starrten ausdruckslos in
den Himmel. Unmittelbar unter der sanften Rundung ihrer linken Brust
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