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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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den Whiskygeruch ein. Ich habe sie alle sterben sehen!
    »Dieser Dreckskerl Archie ist wieder in Dawson«, stellte Hal leise fest. »Ist jetzt lang nicht mehr so brutal, das hat man ihm mit der Kugel ausgetrieben, wie es heißt. Aber er hat wieder eine Bande zusammengetrommelt, und es heißt, sie machen weiter wie bisher.«
    »Archie«, staunte Jack. »Bist du sicher?« William hat ihn erschossen, ihn vermeintlich tot zurückgelassen, der Wendigo hat William umgebracht, und dann…? Doch da endete seine Erinnerung.
    »Sicher bin ich sicher«, meinte Hal, aber er konnte Jacks Blick nicht länger als ein paar Sekunden standhalten.
    Jack lehnte sich zurück, sah sich um und nahm noch einen Schluck. Es sah ganz so aus, als wären seine Abenteuer noch nicht vorbei. Hal schenkte ihm noch mal ein, die Musik spielte, Männer und Frauen tranken und rauchten, und obwohl die Bar ziemlich deprimierend war, hatte die vertraute Umgebung eine entspannende Wirkung auf Jack. Neben ihm am Tisch schnarchte Merritt leise, und das hier könnte jede x-beliebige Bar irgendwo auf der Welt sein.
    Später, als Hal und Jack den Whisky fast ausgetrunken hatten, beugte sich Hal zu ihm rüber. Jetzt kommt ’ s, dachte Jack. Jetzt fragt er mich, was ihm schon den ganzen Abend auf der Zunge brennt.
    »Erzähl mir, was passiert ist«, meinte Hal.
    Jack runzelte die Stirn, starrte eine Weile unbestimmt in die Ferne und versuchte dort Wolfsgeheul zu vernehmen. Vielleicht lag es am Whisky, aber er musste lächeln.
    »Also gut, Hal. Ich fahre heim, und sobald ich Dawson verlasse, werde ich diese Geschichte nie wieder erzählen. »Du wirst also der einzige Mensch sein, der sie je zu hören bekommt. Und du kannst selbst entscheiden, was du glauben willst.«
    Und bis tief in die Nacht erzählte Jack London ihm seine Geschichte.

KAPITEL 16

GEBROCHENE KREISE
    Der Morgen brachte auch kein Erkennen. Als er gehört hatte, dass Merritt noch am Leben war, hatte er sich gefragt, ob der kräftige Kerl ihm die Schuld an Jim Goodmans Tod geben würde oder ob die Spannung noch anhielt, die ihre Freundschaft in den Tagen vor dem Angriff des Wendigos belastet hatte. Er hätte nie gedacht, dass Merritts Reaktion so viel schlimmer war als nur Wut oder Enttäuschung.
    Als sie sich beim Frühstück im Hotelsaal trafen, erkannte Merritt ihn immer noch nicht. Er beharrte darauf, dass Jack London in jener Nacht in dem Lager der Sklaventreiber gestorben wäre. Als Jack ihn bedrängte, schien es den großen Mann verwirrt, traurig und wütend zugleich zu machen. Sein Blick war plötzlich ganz weit weg, in einer Weise, die nichts mit dem Alkohol zu tun hatte, der seit Wochen in seinem Hirn herumschwappte. Wahnsinn war es auch nicht. Jack hatte in seinem Leben schon einige Wahnsinnige getroffen. Er dachte eher, dass ein Teil von Merritt im Norden zurückgeblieben war, in dem zerstörten Lager am Flussufer, und dass er niemals ganz zurückgekehrt wäre.
    Jack befürchtete schon, er würde für immer wegbleiben.Doch er nahm sich vor, vorsichtig mit Merritt umzugehen. Noch ein Schock wäre vielleicht zuviel für ihn. Merritt stocherte in dem Knödel auf seinem Teller herum, zupfte an seinem buschigen roten Bart und erschrak bei irgendwelchen Geräuschen, die niemand außer ihm zu hören schien. Er war immer noch kräftig und breit, aber er hatte seit ihrem Leidensweg in der Wildnis deutlich abgenommen. Obwohl er nur wenige Jahre älter war als Jack, sah er inzwischen viel älter aus.
    Über den Rand der Kaffeetasse musterte Jack seinen Freund. Er musste Merritt aus seinem Loch holen und die Teile seines Verstandes wieder zusammenfügen. Doch dabei durfte er nur behutsam vorgehen.
    Wenn es überhaupt was bringt , dachte Jack.
    Nach dem Frühstück suchte er den Hotelwirt auf, der auf den ziemlich ungewöhnlichen Namen Mortimer Dowd hörte. Der Mann blickte von der Morgenpost auf, die er gerade für die Hotelgäste sortierte, und wirkte etwas betreten.
    »Ich hatte schon gehofft, Sie würden nach einer Mütze Schlaf alles vergessen haben«, scherzte er und richtete die Fliege, die er trug, wohl um dem Yukon Hotel eine kultivierte – oder zumindest halbwegs zivilisierte – Note zu verleihen, die es sonst nie hätte. Wie eine Prostituierte mit einem Sonnenschirm , dachte Jack, sagte es aber nicht.
    »Ihnen auch einen schönen guten Morgen, Mr. Dowd«, sagte er stattdessen.
    Der Mann blickte verstohlen auf die beiden Revolver, die Jack im Halfter trug. Er hätte fast darauf
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