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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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Superiorin hinter ihm niedergelassen hatte und ein atemloses Gebet um Verzeihung sprach. Dann breitete sie ihren voluminösen Barouk aus, sodass ihre Beine schicklich bedeckt waren.
    »Fertig«, sagte sie.
    »Ihr solltet Euch an mir festhalten, denn es könnte sein, dass wir schnell reiten müssen.« Er trieb das Pferd zu einem gemächlichen Gang an, und sie verließen die Gasse.
    Schwester Marthas Gruppe hatte den Platz überquert und verschwand in der schattigen Seitenstraße; noch immer schienen die Frauen angestrengt und neugierig den Inhalt des Sacks zu betrachten. Eine weitere Gruppe kam von einer anderen Stelle des Platzes und musste an fünf Seitenstraßen vorbeigehen. Es waren zu viele – und die Frauen bewegten sich zu langsam.
    »Sie hätten noch warten sollen«, murmelte Gair. Instinktiv lockerte er den Qatan in der Scheide. »Sie hätten warten sollen!«
    »Göttin im Himmel.« Die Superiorin verkrallte die Hände in seinem Barouk. »Hinter uns.«
    Gair riss den Blick von den verängstigten Nonnen los und drehte sich um. Dicker schwarzer Rauch stieg über einem anderen Stadtteil in den heller werdenden Himmel, und Flammen sprangen im Herzen der Wolke auf. Gair suchte den Himmel im Osten nach Simiel ab und erkannte schließlich den Rand der gelben Mondscheibe über den Dächern. Der Rauch erhob sich südlich davon, und das konnte nur eines bedeuten. Ihm sank das Herz.
    »Das Tochterhaus«, sagte er und hoffte, dass Alderan am Ende doch noch Vernunft angenommen hatte. Der Wind roch nach brennendem Papier und Reue.
    Schon nach wenigen Augenblicken hatte auch der Rest der Stadt erkannt, dass etwas in Flammen stand. Händler und ihre Familien kamen aus den Häusern am Platz und starrten und zeigten auf die Wolke. Kinder riefen erregt; die Flammen erhellten ihre Augen und lachenden Münder. Obwohl es nur Kinder waren und sie es nicht besser wussten, machte es Gair krank.
    Mehr aus Hoffnung als in Erwartung einer Antwort sandte Gair einen Gruß, der im Einklang mit Alderans Farben stand. Nach einer winzigen Pause kam eine Antwort: Verlass die Stadt .
    Shahe spürte Gairs Angst und tänzelte. Die Superiorin hielt sich an seinen Hüften fest. Alderan …
    Keine Zeit … Verdammt, geh endlich!
    Sofort wurden die vertrauten Farben von Jaspis und Weinbrand schlammig und schwach. Gairs Instinkt schrie ihm zu, er müsse zurückreiten, auch wenn die Flammen und die dichter werdende Rauchsäule ihm sagten, dass das Tochterhaus nicht mehr zu retten war.
    Ist alles in Ordnung mit Euch? , fragte er in Gedanken.
    Bei allen Heiligen, natürlich nicht! Alderan!
    Alles, was er hörte, war fernes Freudengeheul, das durch die Gebäude dazwischen verzerrt wurde. Es waren hässliche, bösartige Laute, wie das Summen giftiger Insekten. Er sandte einen letzten Gruß aus und ließ dann widerwillig Alderans gedämpfte Farben los.
    Ein Schuldgefühl überfiel ihn. »Ich sollte zurückgehen. Vielleicht kann ich noch etwas tun …«
    Er wollte das Pferd wenden, aber die Superiorin kniff ihm in den Arm. »Du hast die Menge am Tor gesehen«, sagte sie. »Du würdest niemals durchkommen.«
    »Aber …« Diese verdammten Bücher. Shahe scheute, und er starrte auf den Rauch, der den Himmel fleckte. Wenn noch jemand im Tochterhaus gewesen war, dann war ihm nun sicherlich nicht mehr zu helfen.
    Sie grub die Finger in seinen Bizeps. »Mein Vater hat mir immer gesagt, du musst zuerst die Arbeit machen, die vor dir liegt. Außerdem befindet sich das Leprosentor, das wir benutzt haben, auf der anderen Seite des Präzeptoriums. Vielleicht ist er entkommen.«
    Sie hatte recht. Sie musste recht haben, aber irgendwie konnte er nicht daran glauben. Er ließ die Schultern hängen. »Vielleicht.«
    Sogar in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme angespannt, und er bekam den Kloß im Hals nicht weg, so viel er auch schluckte. Ich hätte niemals nach Gimrael mitkommen dürfen .
    »Wir sollten weiterreiten«, sagte er, als er wieder etwas sagen konnte. »Je eher wir die Stadt hinter uns lassen, desto besser.«
    Er schnalzte mit der Zunge, und Shahe überquerte den Platz. Zu zweit und zu dritt erschienen die Nonnen aus den Seitenstraßen. Sie hielten sich aneinander fest und warfen furchtsame Blicke über die Schulter; sie schienen alles vergessen zu haben, was ihnen gesagt worden war. Doch es spielte keine Rolle mehr, denn da alle die Zerstörung beobachteten, schenkte ihnen niemand mehr Aufmerksamkeit, während sie auf die Gasse neben dem Laden des
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