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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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Ladenbesitzer öffneten Fenster und Türen, spannten Baldachine vor ihren Geschäften und warteten auf die ersten Kunden des Tages. Gegenüber gähnte jemand in einer Tür und beobachtete die Frauen mit den Krügen. Jemand rief ihm etwas zu, und er lachte, kratzte sich an seinem prächtigen Bauch und erwiderte etwas.
    »Wir müssen den Platz überqueren«, flüsterte die Superiorin.
    Gair betrachtete den Mann, der die Frauen beobachtete, dann musterte er den Platz auf der Suche nach einer Strecke, auf der sie nicht unmittelbar durch sein Blickfeld laufen mussten. Aber er fand keine. »Man wird uns sehen«, sagte er. »Wie weit ist es von hier bis zum Tor?«
    »Nicht weit, aber es wird erst in der Morgendämmerung geöffnet.«
    Es wäre einfach gewesen, den Platz zu überqueren, wenn sie einen oder zwei Wagen gehabt hätten. Dann hätten sich die Frauen auf den Pritschen verstecken können. Gair biss sich auf die Lippe, hielt inne. Es hatte keinen Sinn, etwas herbeizuwünschen, was sie nicht besaßen. Sie mussten mit dem auskommen, was sie hatten.
    »Gibt es eine andere Gasse, die auf diesen Platz führt? Eine, die man von hier aus erreichen kann, ohne gesehen zu werden?«
    »Bestimmt.« Die Superiorin schaute die Nonnen an. »Schwestern?« Einige nickten.
    »Teilt euch auf«, sagte sie. Das war das Beste, was sie tun konnten. »In kleine Gruppen, nicht mehr als drei oder vier, und bleibt nicht zu dicht zusammen. Wenn ihr Wasserkrüge oder etwas anderes findet, was zu eurer Verkleidung passt, wäre das umso besser.«
    Die Superiorin deutete auf einen dunklen Gang zwischen zwei Läden. »In die Gasse dort hinten neben dem Ölhändler fällt fast bis Mittag kein Licht. Dort treffen wir uns und gehen dann gemeinsam zum Löwentor.«
    »Aber, um der Liebe der Heiligen willen, beeilt euch nicht«, fügte Gair hinzu. »Das würde nur Aufmerksamkeit erregen.«
    Widerstrebend und unter Umarmungen und Segnungen teilten sich die Nonnen in kleinere Gruppen auf, von denen sich die meisten in die schmale Straße zurückzogen, auf der sie hergekommen waren, bevor sie sich in den verschiedenen Gassen und Sträßchen zwischen den Hinterhöfen verteilten. Gair sah ihnen nach und stöhnte leise, als er ihre angespannten Schultern und die verräterischen huschenden Schritte sah.
    Die Superiorin folgte seinem Blick und schien seine Gedanken erraten zu haben. »Sie werden es schaffen«, sagte sie und klopfte ihm sanft auf den Arm. Dann wandte sie sich den drei verbliebenen Schwestern zu, von denen eine namens Martha die Arme fest um einen Sack geschlungen hatte. »Jetzt seid ihr an der Reihe, meine Töchter.«
    Die Nonnen traten hinaus auf den Platz. Fast sofort drehte der dicke Händler den Kopf und beobachtete sie. Gair suchte nach einem Sonnenzeichen über seiner Tür, doch der Baldachin vor dem Geschäft hing so tief, dass nichts zu erkennen war. Er fluchte leise, aber die Superiorin, die neben ihm stand, hatte ihn doch gehört.
    »Verzeihung«, entschuldigte er sich. »Ich habe vergessen, dass ich nicht allein bin.«
    Zu seiner Überraschung bildeten sich Lachfältchen um ihre Augen. »Mein Vater war Quartiermeister bei der Zehnten Legion. Glaube mir, ich habe schon viel Schlimmeres gehört – auch wenn ich sagen muss, dass du für einen jungen Mann, der in der Kirche aufgewachsen ist, ein bemerkenswert abwechslungsreiches Vokabular hast.« Sie deutete mit dem Kopf auf die Nonnen. »Sieh nur.«
    Schwester Martha hatte den Sack geöffnet, und alle drei Frauen steckten die Köpfe darüber zusammen, während sie weitergingen, als ob etwas Außergewöhnliches darin steckte. Der Kaufmann wandte den Blick ab; seine Aufmerksamkeit war nun von den Frauen beansprucht, die von dem Brunnen kamen und anmutig die Hüften schwenkten, während sie die Krüge auf dem Kopf balancierten. Seine Blicke folgten ihnen quer über den Platz, und er grinste. Also war er bloß ein Lüstling, der die morgendlichen Anblicke genoss.
    Erleichtert stieß Gair die Luft aus.
    »Jetzt sind wir an der Reihe«, sagte er. Er reichte der Superiorin die Hand und nahm den Fuß aus dem Steigbügel, sodass sie ihn zum Aufsteigen benutzen konnte.
    »Zum letzten Mal habe ich als kleines Mädchen hinter meinem Vater rittlings auf einem Pferd gesessen«, sagte sie. Sie fältelte ihren Habit und schob ihn sich unter den Gürtel. »Ich würde es als freundlich ansehen, wenn du nicht hinschautest.«
    Pflichtbewusst richtete Gair seinen Blick auf Shahes Ohren, bis sich die
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