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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Helen auf das Sofa fallen. »Ich sag dir, meine Suppe hätte dir besser geschmeckt, aber bitte, wenn du’s lieber intravenös magst.«
    Helen begriff, dass Toni auf ihre Gefühle und Wünsche nicht in ausreichend sensiblem Maß eingehen würde. Was typisch für Toni, aber unpassend für die derzeitige Situation war. »Sag mir, warum ich weiterleben sollte«, fragte Helen und hoffte, Toni würde Erbarmen mit ihr haben. Sie müsste doch einsehen, dass ihr Lebenswillen zu Recht erloschen war.
    »Also, du hast ein Haus, ein schönes noch dazu, einen verdammt geilen Garten, eine gesicherte Existenz dank deiner Mieterinnen, bist kerngesund, junge dreißig, nicht die Dümmste – mal abgesehen von dieser Aktion hier – und hast eine extrem lässige, gut aussehende Freundin, die auf Wohnungssuche ist und bei dir einziehen wird. Deine Wohnung ist sowieso zu groß für dich allein.«
    »Genau Toni, ich bin allein.«
    »Na, das wird sich bald ändern.« Helens Kopf hing nach hinten über die Sofalehne. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Augen in dunkle Höhlen abgesunken. Toni betrachtete ihre Freundin, die wirklich keinen blühenden Eindruck machte. Sie erinnerte sich an ein kleines Mädchen in Sandalen, das an seinem ersten Schultag allein zur Schule gegangen war, ohne Schultüte, aber mit imponierend geradem Rücken. Toni beugte sich zu Helen, den Mund nah an ihrem Ohr. »Außerdem, meine Liebe, musst du deiner Aufgabe nachkommen. Scheißen. Du erinnerst dich?« Sie gab ihr einen Kuss auf die Stirn, die kalt verschwitzt war und wartete auf die Notärztin.

Epilog

2012
    Das Landesgericht war nicht weit weg, Helen ging zu Fuß. Die Florianigasse hinauf, nach links in die Lange Gasse, dann Josefstädter Straße Richtung Gürtel. Es war kühl für November. Helen wurde in Wollpullover und Blauzeug durch die mittlerweile ungewohnte Bewegung trotzdem warm. Nach über drei Monaten hatte man sie aus der Untersuchungshaft entlassen. Bei der letzten Haftprüfung musste die Richterin aufgrund der noch immer recht dürftigen Indizien zugeben, dass der dringende Tatverdacht gegen Helen Cerny nicht länger aufrechtzuerhalten war. Weitere Ermittlungen ihre Person betreffend wurden eingestellt. Ihre Anwältin hatte Helen zugeraunt, Kriminalbeamte wären auf unerklärlichen Strom- und Wasserverbrauch in der von Helen als Bertas Niederlassung angegebenen Wohnung gestoßen. Die Staatsanwaltschaft würde zwar weiterhin an der Existenz einer Person namens »Berta« zweifeln, aber ebenso an Helens Täterschaft. Die Aufhebung ihrer Haft wurde beantragt, ihre Freilassung unverzüglich angeordnet.
    »Festnahmen sind wesentlich spektakulärer«, dachte Helen und freute sich über die Ruhe und Verschlafenheit der Josefstädter Morgenstunde. Vereinzelte ältere Hundebesitzerinnen gingen mit ihren Lieblingen Gassi, das Sacki fürs Gacki im Anschlag. Leise Radfahrerinnen ließen sich zwischen den Straßenbahnschienen des 2er-Wagens stadteinwärts rollen.
    Das Erste, was Helen auffiel, als sie in die Lerchengasse einbog, waren die auf Fahrbahn und Parkflächen versetzt aufgestellten Leinensäcke und Holzkisten. Sollten hier jemals freiwillig Autos durchfahren, müssten sie einen Slalom zurücklegen. Dann bemerkte sie das Verkehrsschild, das auf eine Wohnstraße aufmerksam machte. Es war übermalt mit Bäumen, Blumen und Bienen. Links und rechts an den Ecken des Schildes waren Joghurtbecher befestigt. Aus ihnen wuchsen buschige Farnwedel. Helen verdächtigte sofort Toni, Initiatiorin dieser Stadtverschönerung zu sein, obwohl sie die grafische Gestaltung der Bienen nicht einmal ihr zutraute. Helen ging an den mobilen Gartenmöbeln vorbei die Lerchengasse hinunter und hielt vor dem Haus Nummer 19. Dort breiteten sich Fahrradständer vor der Einfahrt aus. Daneben standen ein Hochbeet, dessen Pflanzfläche mit Tannenreisig bedeckt war, und zwei Leinensäcke, aus denen Hagebutten wuchsen. Die Außenseiten der Säcke waren von Kinderhänden mit Fingerfarben bedruckt worden. Helen schaute zur Fassade ihres Hauses. Das Eingangstor stand weit offen. Sie betrat die Einfahrt. Kalter Novembergeruch lag unter dem Tonnengewölbe, dicht daran eine warme Note Geborgenheit. Helen öffnete die Gerätekammer und erinnerte sich an die Worte ihrer Gefängniswärterin: »Tür’n nach Belieb’m aufsperrn is ka Lercherlschaß«.
    Der Raum war ordentlich, als hätte Helen ihn persönlich auf den Winter vorbereitet. In den Regalen lagerten Äpfel und Birnen mit ausreichend
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