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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
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»Die Arbeiter haben die letzte Lücke geschlossen.«
    Griffin blickte ein wenig gequält auf den Abgrund zwischen den Planken. Er war wie Jolly auf Piratenschiffen aufgewachsen. Auf den Rahen eines Schiffes bewegte er sich ebenso wie sie mit blinder Sicherheit. Doch das hier war, aus Gründen, die ihnen selbst nicht ganz klar waren, etwas anderes.
    Sie mussten Acht geben, wohin sie auf den schmalen Streben ihre Füße setzten. Vor allem für Jolly, die als Quappe auf dem Wasser laufen konnte, wäre ein Aufschlag auf der Meeresoberfläche fatal - die Wogen waren für sie so hart wie Stein, sie würde sich alle Knochen brechen. Aber auch für Griffin, für den Wasser nur Wasser war, mochte ein Sturz aus dieser Höhe schlimme Folgen haben.
    Sie gingen am Rand der Brücke entlang und hielten sich mit einer Hand am Geländer fest. Ein paar der Eingeborenen turnten gewandt an ihnen vorüber - kein Wunder, die meisten von ihnen arbeiteten schon seit über einem Jahr auf dem Gerüst.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich dem höchsten Punkt des Brückenbogens näherten. Jolly war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie die Arbeiter nach und nach zurückgeblieben waren. Als sie jetzt aufschaute, sah sie, dass sie mit Agostini allein waren.
    Griffin stellte aus Höflichkeit ein paar Fragen, aber Jolly hörte kaum hin. Erst als er wissen wollte, wie all das Holz ohne Säulen überhaupt in der Luft halten könne, und Agostini entgegnete: »Durch Magie«, da horchte sie auf.
    Magie? Aber nur Quappen verstanden sich auf die Kunst der Muschelmagie! Nun ja, nicht alle Quappen. Von den beiden, die noch am Leben waren, verfügte offenbar nur Munk über dieses Talent. Jolly fehlte dazu die Geduld und auch das Können - selbst wenn der Geisterhändler etwas anderes behauptet hatte. Munk allerdings befand sich weit weg, wahrscheinlich war er mittlerweile schon mit den anderen in Aelenium angelangt.
    Was aber war mit Agostini? Was wusste er über Magie?
    Sie wollte nachhaken, als der Baumeister stehen blieb. Sie befanden sich jetzt in der Mitte der Brücke. Unter ihnen klaffte ein Abgrund von gut hundertzwanzig Fuß.
    Agostini legte beide Hände an das Geländer, schloss die Augen und atmete tief durch. Sein langes Haar flatterte im Wind wie Asche auf einer Brise.
    Griffin und Jolly wechselten einen Blick.
    In der Ferne ertönte ein Heulen. Jolly fuhr erschrocken herum, doch es war nur der Sturm, der in die engen Klüfte zwischen den Felsinseln fuhr. Das Rauschen der aufgewühlten See wurde flüsternd von den Steinwänden zurückgeworfen, sogar bis hier draußen reichte der Hall des Echos.
    Jolly wagte einen neuen Vorstoß. »Welchen Zweck soll denn nun eigentlich so eine Brücke haben, hier draußen am Ende der Welt?«
    Der Baumeister lächelte, blickte aber nicht Jolly an, sondern über das Wasser zu den anderen Inseln. Das Panorama sah aus, als hätte jemand Schichten aus Grau- und Brauntönen auf eine blaue Leinwand aufgetragen.
    »Sie hat den Zweck aller Brücken«, sagte er geheimnisvoll. »Sie wird von einem Ort zum anderen führen.« Es war das erste Mal, dass er so ruhig und leise sprach. Jolly musste sich anstrengen, um ihn zu verstehen.
    Griffin trat von einem Fuß auf den anderen. Sein besorgter Blick brachte Jolly zum Schweigen. Was ging es sie an? Es war wohl am besten, wenn sie für einen Moment die atemberaubende Aussicht genossen und dann an Land zurückkehrten.
    »Diese andere Insel da drüben« - Jolly zeigte auf das Ende der Brücke und den bewaldeten Buckel, der sich dahinter erhob -, »warum haben Sie Ihr Lager nicht dort aufgeschlagen? Sie sieht viel gemütlicher aus, mit all den Bäumen.«
    Etwas schlug in ihrem Hinterkopf Alarm, etwas in ihren eigenen Worten, ein verborgener Gedanke, dessen Bedeutung ihr selbst erst einen Atemzug später klar wurde.
    Die Bäume… all die Bäume. Natürlich: Es sah aus, als wäre dort kein einziger Stamm gefällt worden. Nur auf der Vulkaninsel, aber nicht .
    Nicht dort drüben!
    Dabei konnten die Bäume des Eilands unmöglich ausgereicht haben, um diese gigantische Brücke zu errichten. Wenn sie es genau bedachte, dann wahrscheinlich nicht einmal alle Bäume der ganzen Inselgruppe.
    »Jolly?« Griffin hatte bemerkt, dass etwas sie beschäftigte. »Was ist los?«
    Sie gab keine Antwort, sondern sah stumm hinunter auf das Holz zu ihren Füßen. Auf den ersten Blick war daran nichts Ungewöhnliches. Sie ging in die Hocke und berührte es mit den
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