Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
an?«
    Griffin starrte zu den Klippen hinüber, wo jetzt immer mehr dunkle Gestalten über die Eingeborenen herfielen, eine schwarze, glitzernde Woge nasser Leiber, unförmig, mit übergroßen, viel zu dürren Gliedern und schnappenden Mäulern. »Klabauter gehen nicht an Land!« Es klang schrecklich hilflos, wie er das sagte. »Niemals!«
    »Jetzt schon.« Jolly stieß sich vom Geländer ab und warf einen angstvollen Blick durch das Gitterwerk der Brücke zum Wasser hinab. Zwischen den Wellenkämmen wimmelte es nur so von Klabauterschädeln. »Ihr Anführer treibt sie ans Ufer. Er muss ihnen größere Angst einjagen als das Land und die Luft.«
    Agostini war auf das Geländer geklettert, hatte beide Arme erhoben und den Kopf in den Nacken gelegt. »Geh, kleine Quappe . «, flüsterte er scheinbar zusammenhanglos. »Du wirst erwartet.« Jolly hatte nicht gesehen, wie er auf das Geländer hinaufgekommen war, und sie verstand nicht, wie er sich freihändig da oben halten konnte. Doch seine Worte ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren. Was zum Teufel meinte er?
    Ein tiefes Summen drang aus Agostinis Kehle. Eine Windbö trieb ihm den Hut vom Kopf, und jetzt flatterte sein graues Haar wie Rauchfetzen um seinen Schädel.
    Griffin packte Jolly am Arm. »Die Klabauter folgen den Eingeborenen auf die Brücke! Komm, wir müssen weg von hier!« Er deutete auf das gegenüberliegende Ende der Brücke, wo hinter den prasselnden Fischleibern die bewaldeten Hügel der zweiten Insel zu sehen waren.
    »Nein, nicht!« Jolly hielt ihn zurück. »Warte!«
    Griffin sah über die Schulter zurück zur Vulkaninsel.
    Krabbelnde, hangelnde und springende Klabauter drängten jetzt auf das Gitterwerk der Brücke, erreichten die flüchtenden Eingeborenen und schleuderten sie über das Geländer in die Tiefe. Einmal im Wasser aufgeschlagen, versanken sie unweigerlich unter den Fischkadavern und tauchten nicht wieder auf.
    »Sie haben uns gesehen!«
    »Natürlich«, sagte sie. »Wegen uns sind sie schließlich hier.« Es war eine nahe liegende Vermutung, aber noch während Jolly sie aussprach, zweifelte sie schon wieder daran.
    »Wir können nicht da rüber«, rief sie, bemüht, das Prasseln der toten Fische zu übertönen und ihnen gleichzeitig auszuweichen.
    »Warum nicht?«
    »Was genau hat Agostini vorhin gesagt?«
    Griffin starrte sie verzweifelt an, dann den Baumeister, der immer noch in seiner Haltung demütiger Anbetung auf dem Geländer stand. Er sah immer weniger aus wie ein Mensch, seine Proportionen wirkten verzerrt, als wüchsen seine ausgebreiteten Arme dem Himmel entgegen.
    »Was hat er geantwortet, als ich ihn gefragt habe, wohin die Brücke führt?«
    »Nicht zu der anderen Insel.«
    »Nicht zur Insel«, wiederholte Jolly und versuchte, sich zum Nachdenken zu zwingen. Bleib ruhig! Streng dich an!
    Griffin sah sie mit aufgerissenen Augen an. »Aber wohin soll sie denn sonst . ? Ich meine, wenn nicht zur Insel, dann .« Er brach kopfschüttelnd ab.
    »Sie ist ein Tor. Oder ein Übergang. Eben eine… eine Brücke «, sagte sie hilflos, weil ihr nichts Besseres einfiel. »Agostini hat tatsächlich eine Brücke gebaut, aber sie führt nicht zur Insel hinüber, auch wenn es so aussieht. In Wahrheit liegt da drüben etwas anderes. Vielleicht eine andere Welt.«
    »Das Mare Tenebrosum?«
    »Es wäre möglich, oder nicht?«
    Griffins Züge verhärteten sich, sein Blick wurde grimmig. »Sie kommen. Wir müssen hier weg!«
    Jolly rührte sich noch immer nicht. Sie machte einen Schritt auf Agostini zu, der ohne Unterlass in den Kadaverregen hinaussummte und wisperte und sie mit keinem Blick würdigte.
    Die Klabauter kamen näher. Sie waren nicht so flink wie im Wasser, und die Höhe schien sie einzuschüchtern, mehr noch als der ungewohnte Untergrund oder das fremde Element. Und doch war ihre schnappende, zischende, kreischende Masse bedrohlich genug, um Griffin Recht zu geben. Sie mussten weg.
    Es war, als liefe eine andere für sie, als würde Jolly von etwas vorwärts getragen und unempfindlich gegen ihr Entsetzen machen.
    Nur für wenige Schritte. Dann blieb sie abermals stehen. Griffin taumelte, drohte abzurutschen, fing sich aber mit ihrer Hilfe im letzten Augenblick.
    »Da vorne«, brachte sie tonlos hervor.
    Sie waren der anderen Insel näher gekommen. Und doch erschien sie undeutlicher als zuvor. Ihre Form zerfaserte an den Rändern wie ein Gebilde aus dunklem Qualm. Zugleich wurde die Luft über ihr finsterer, nicht von Wolken,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher