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Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Titel: Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen
Autoren: Pia Solèr
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hatte sich noch nicht lange für Touristen geöffnet. Mein erster Fehler: Ich nahm eine Flasche Schnaps mit, abgefüllt in einer Plastikflasche. Er sollte dienen, wenn das Essen auf den Magen schlagen würde. Wir hatten einen Flug von Zürich nach Frankfurt, wo wir umsteigen mussten. Als wir fünf da warteten, berichtete ich vom Schnaps. Sie sahen mich an und sagten: »Wenn du hinter Gitter kommst: Drei Tage warten wir, dann ziehen wir weiter.« Dankeschön. Der Schnaps befand sich im grossen Gepäck, und so war es zu spät ihn zurückzulassen.
    In Tripolis holte uns unser Führer ab, und so kam ich mit dem Schnaps ins Land. Am Abend versammelten sich meine vier Gefährten um mich und fragten, ob sie einen Schluck haben dürften. Wir genossen alle dieses Ritual. Der kleine Wüstenzwerg, wie ich ihn nannte, hatte Mon Chérie dabei, im Land, in dem Alkohol verboten ist. Der Wüstenzwerg war ein grosser stämmiger Mann. Doch verglichen mit der Wüste, ist er nun einmal ein Zwerg.
    Die Reise begann mit einer langen Jeepfahrt. Wir fuhren den ganzen Tag durch Dörfer und karge Landschaften, bis wir zur Sahara kamen. Ich war fix und fertig.
    Wir hatten acht Führer und drei Jeeps. Einer war mit der Küche ausstaffiert, in den anderen zwei sassen wir und die Führer. Nur einer konnte Englisch. Mir wären Kamele lieber gewesen, doch dies war wieder eine neue Erfahrung. Die Strecken waren weit, wir fuhren durch riesige Dünengebiete, dann kam plötzlich eine Oase, wo Sträucher um einen See wuchsen. Es gab Füchse und Vögel. Dann waren wieder markante Steine in der Gegend zerstreut, am Mittag sahen wir Fata Morganas.
    Ich lachte gerne und half mit, wenn die Führer Holz fürs Feuer brauchten. Für den arabischen Mann sind das Zeichen, dass die Frau ihn liebt. Oje. Meine Kollegen stellten Zelte auf, ich schlief im Freien. Ich fühlte mich dort sicherer, denn die Führer würden einander beobachten. Am Morgen war mein Schlafsack mit Reif überzogen. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir immer im Freien übernachtet, aber da der Oberführer die Wüste hasste, suchte er immer wieder Hotels auf. Da musste ich dann wieder schauen, dass ich mein Zimmer gut verschloss. Ich fühlte mich nie wohl im Hotel. Mir war der Sternenhimmel lieber.
    Fünf Wochen waren wir unterwegs. Einmal kamen wir an einem kleinen Dorf vorbei. Ich lief alleine an einen See. Schwarze Frauen in bunten Gewändern wateten im See. Sie suchten Würmer für das Essen. Als sie mich erblickten, kamen sie auf mich zu und wollten, dass ich auch mit ihnen ins Wasser komme. Ich tat das nicht, aber wir kommunizierten mit Händen und Zeichen, eine schöne Begegnung. Die einzige Begegnung mit Frauen in diesem Land.
    Dann fuhr ich Sandski, der Oberführer kam mit, und die anderen hatten das Gaudi, wie er ständig im Sand lag.
    Einmal ging ich mit ihm auf den Markt. Ich fragte ihn zuvor, ob auch Frauen da wären. Er sagte ja, aber es waren nur zwei Schwarze hinter einem Stand, die Ware verkauften. Ich fühlte mich miserabel in dieser Männerdomäne. Die Frauen sind unter sich, die Männer auch. Ich hatte das Gefühl, dass eine europäische Frau automatisch als Hure gilt. Wir sind nicht verschleiert, schauen den Menschen in die Augen, und das ist in dem Land falsch.
    Trotzdem war es eine sehr interessante Reise, aber ich genoss es auch, wieder in der Schweiz zu sein. Mein Schwager holte mich in Ilanz ab, in einem Dorf tranken wir Kaffee. Der runde Tisch war voller Männer und es war normal, dass ich als Frau auch da war. Eine grosse Erleichterung. Daheim bin ich oft in Männergesellschaft.
    Dezember. Unerwartet habe ich einen freien Nachmittag. Der Himmel ist blau, die Sonne ist schon untergegangen. Die Tage sind eben kurz. Heute kommt der Samiklaus. Die Jugendmannschaft organisiert dieses Ritual und zieht von Haus zu Haus. Alle kriegen Nüsse und Mandarinen, ein Schmutzli mit der Kasse kriegt einen Batzen.
    Es gibt Freunde in meinem Leben, mit denen ich nächtelang Gespräche führen kann, ohne über Leute herzuziehen. Das sind reiche Gespräche. Über Menschen herziehen macht müde und krank. Versuchen doch alle, auf ihre Art das Beste zu machen. Harmoniesüchtig? Ich mag keine Unstimmigkeiten.
    Einmal fragte mich ein Strahler auf der Alp, was mir da oben fehlen würde. Ich überlegte, fand aber nichts. Heute fehlt mir mein Freund, es ist aber eine süsse Sehnsucht.
    Nun ist es Zeit, in den Stall zu gehen.
    Heute brauchte ich lange im Stall, schon wieder ist das Wasser
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