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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman
Autoren: Sabine Klewe
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Haus.«
    »Welches Haus?«
    »Leonies Haus. Es ist mir egal, was sie meinen Eltern erzählt. Lieber gehe ich ins Gefängnis.«
    »Du musst nicht ins Gefängnis, Toni. Kinder müssen nicht ins Gefängnis.«
    »Ehrlich nicht?«
    »Ehrlich nicht. Ich bin Polizistin. Ich weiß das.«
    Toni lehnte ihren Kopf an Lydias Schulter und schluchzte erleichtert auf. Lydia biss die Zähne zusammen und versuchte, trotz der zusätzlichen Last nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Lange würde sie das nicht durchhalten. Ihr ganzer Körper war taub und steif vor Kälte.
    In der Ferne hörte sie eine Sirene. Die Feuerwehr!
    Lydia starrte über die Baumkronen hinweg bis sie die Lichter sah, die durch den verschneiten Wald zuckten. Als Toni ihre Arme bewegte, um die Metallstrebe neu zu umfassen, rutschte der Ärmel ihrer Jacke nach oben und gab den Blick auf ihren Unterarm frei. Die Narbe. Selbst in dem fahlen Dämmerlicht war sie gut zu sehen. Erleichtert stieß Lydia Luft aus. Immerhin waren die richtigen Eltern auf dem Weg hierher.
    Sie mussten noch mehr als zehn Minuten ausharren, bis die Feuerwehrleute das Fahrzeug in die richtige Position und die Leiter mit dem Korb ausgefahren hatten. Als Lydia endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, hätte sie beinahe vor Erleichterung geweint. Noch nie in ihrem Leben war ihr so kalt gewesen, ihre Zähne klapperten unkontrolliert, ihr ganzer Körper war starr, ihre Finger brannten vor Schmerz.
    Tonis Eltern trafen in dem Augenblick ein, als ein Feuerwehrmann das Mädchen aus dem Korb hievte. Nicole und Michael Bruckmann stiegen aus dem Wagen. Nicole Bruckmann rief: »Toni!« Und Toni rannte zu ihr. Nicole Bruckmann hielt das Mädchen fest, Michael Bruckmann schlang die Arme um seine Frau und seine Tochter und schluchzte hemmungslos.
    Salomon trat neben Lydia und legte ihr eine Decke über die Schultern. Er hatte irgendwo heißen Tee organisiert und reichte ihr einen Becher.
    »Ziemlich verrückt, findest du nicht?«, sagte er. »Heute Morgen haben sie ihre Tochter beerdigt, und jetzt halten sie sie plötzlich wieder im Arm.«
    Lydia griff dankbar nach dem dampfenden Getränk. »Das muss völlig unfassbar für sie sein.«
    »Wie ein Wunder.«
    Das Wunder, auf das du auch immer noch hoffst, dachte Lydia. Vorsichtig nippte sie an dem heißen Tee, verbrannte sich die Zunge und trank trotzdem gierig weiter.
    26
    Lydia legte auf. »Das Krankenhaus. Antonia Bruckmann geht es so weit gut. Sie war stark unterkühlt, aber sonst fehlt ihr nichts.«
    »Gut.« Salomon lehnte sich zurück. »Ist doch schön, wenn man zwischendurch auch mal ein Leben retten kann. Übrigens, bei Schwarzbachs Leichnam wurde das Handy seiner Tochter gefunden. Auf der Speicherkarte waren tatsächlich Fotos, die Nora und Toni beim Ladendiebstahl zeigen. Etwas unscharf und verwackelt, aber man konnte sie erkennen.«
    »Zumindest ein Detail, das eindeutig geklärt ist.« Lydia betrachtete nachdenklich die Tastatur ihres Rechners. »Eins der wenigen Puzzleteile, die am richtigen Platz liegen.«
    »Morgen können wir Antonia vernehmen, dann klären sich die übrigen Fragen.«
    »Einige vielleicht.« Lydia nahm einen Schluck Tee. Der fünfte Becher inzwischen, doch richtig warm war ihr noch immer nicht. Die Kälte hatte sich tief in ihre Knochen gefressen. Trotzdem hatte sie darauf bestanden, mit Salomon aufs Präsidium zu fahren, um den Bericht zu verfassen. Nicht nur, weil sie unbedingt bis zum Schluss dabei sein wollte, sondern auch weil irgendetwas an ihr nagte, das nicht ins Bild passte.
    »Du hast recht«, sagte Salomon. »Ich habe eben mit den Kollegen in Wermelskirchen telefoniert. Die Durchsuchung der Klinik hat nichts ergeben. Die Daten über die Geburt von Leonie und Antonia weisen keine Besonderheiten auf. Natürlich wird man die Klinik damit konfrontieren, dass Antonia Bruckmann und Leonie Schwarzbach Zwillinge und beide nicht mit ihren angeblich leiblichen Eltern verwandt sind, aber ich fürchte, es wird niemandem eine Schuld nachzuweisen sein. Eine Hebamme hat angedeutet, dass dieser Professor Vogeler im Alleingang krumme Geschäfte gemacht habe. Als die Klinikleitung ihm auf die Schliche kam, versuchte er, sie zu erpressen, drohte damit, den guten Ruf des Hauses zu ruinieren. Da finanzierte man ihm einen standesgemäßen Ausstieg aus dem Beruf.«
    Lydia runzelte skeptisch die Stirn. »Glaubst du das?«
    »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man so etwas ohne Helfer und ohne Wissen der Klinikleitung
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