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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg
Autoren: Robert Jordan
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kaum wie ein Mann aus, der einen nur mit ein paar Strikken zum Betteln und Flehen bringen konnte.
    »Arymilla«, sagte Nasin verwirrt, dann starrte er seine Faust an, als würde es ihn überraschen, sie erhoben vorzufinden. Er senkte die Hand zum Sattelknauf und strahlte die alberne Frau an. »Arymilla, meine Liebe«, sagte er warmherzig. Nicht mit der Art von Wärme, die Elenia vorbehalten war. Es hatte den Anschein, als hätte er sich irgendwie zur Hälfte davon überzeugt, dass Arymilla seine Tochter war, und zwar seine Lieblingstochter, was das anging. Elenia war einmal Zeugin gewesen, wie er mit ihr lang und breit in Erinnerungen an ihre »Mutter« geschwelgt hatte, seine letzte Frau, die mittlerweile über dreißig Jahre tot war. Arymilla war es gelungen, ihren Teil dieser Unterhaltung zu bestreiten, obwohl sie Miedelle Caeren nie begegnet war, soweit Elenia wusste.
    Trotz seiner väterlichen Miene für Arymilla musterte er die Horde hinter ihr, und sein Ausdruck entspannte sich, als er Sylvase entdeckte, seine Enkelin und Erbin, eine kräftige, gelassene junge Frau, die seinen Blick ohne zu lächeln erwiderte und dann ihre pelzverbrämte Kapuze nach vorn zog. Elenia hatte sie noch nie lächeln oder die Stirn runzeln oder sonst eine Gefühlsregung bei ihr gesehen, sie behielt immer den gleichen kuhähnlichen Ausdruck bei. Offensichtlich hatte sie auch den Verstand einer Kuh. Arymilla hielt Sylvase näher bei sich als Elenia oder Naean, und so lange sie das tat, gab es nicht die geringste Chance, dass man Nasin zum Rücktritt zwingen konnte. Er war verrückt, keine Frage, aber durchtrieben. »Ich hoffe, Ihr gebt gut auf meine kleine Sylvase Acht, Arymilla«, murmelte er.
    »Überall sind Glücksjäger, und ich will, dass mein kleiner Schatz sicher ist.«
    »Aber natürlich«, erwiderte Arymilla und lenkte ihre überfütterte Stute an Elenia vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ihr Tonfall war honigsüß und widerwärtig kindisch. »Ihr wisst, dass ich auf sie aufpasse wie auf mich selbst.« Hohlköpfig lächelnd fing sie an, Nasins Umhang auf seinen Schultern zu richten und glättete ihn mit dem Benehmen von jemandem, der einem geliebten Invaliden einen Schal umband. »Es ist viel zu kalt für Euch. Ich weiß, was Ihr braucht. Ein warmes Zelt und heißen gewürzten Wein. Ich lasse ihn für Euch von meiner Zofe zubereiten, keine Widerrede. Arlene, begleite Lord Nasin zu seinem Zelt und mache ihm einen schönen gewürzten Wein.«
    Eine schlanke Frau aus ihrem Gefolge zuckte erschrokken zusammen und ritt dann zögernd vor, schob die Kapuze ihres Umhangs zurück und enthüllte ein hübsches Gesicht und ein zittriges Lächeln. Plötzlich waren alle Speichellecker und Krötenfresser damit beschäftigt, ihre Umhänge zu richten oder die Handschuhe fester zu ziehen; sie sahen überall hin, nur nicht zu Arymillas Zofe. Vor allem die Frauen nicht. Jede von ihnen hätte auserwählt werden können, und das wussten sie. Seltsamerweise schaute Sylvase nicht weg. Es war unmöglich, ihr Gesicht im Schatten der Kapuze zu erkennen, aber die Öffnung bewegte sich und folgte der schlanken Frau.
    Nasins Grinsen entblößte seine Zähne, was ihn noch mehr als gewöhnlich wie einen Ziegenbock aussehen ließ.
    »Ja. Ja, gewürzter Wein wäre gut. Arlene, richtig? Kommt, Arlene, seid ein braves Mädchen. Euch ist doch nicht kalt, oder?« Das Mädchen stieß einen spitzen Schrei aus, als er ihr seinen Umhang über die Schultern schwang und sie so eng an sich zog, dass sie sich auf ihrem Sattel vorbeugen musste. »In meinem Zelt wird Euch warm sein, das verspreche ich.« Ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, ritt er im Schritttempo los, kicherte vor sich hin und flüsterte der jungen Frau im Arm etwas zu. Seine Waffenmänner folgten ihm mit quietschendem Leder und dem langsamen, feuchten Schlag von Hufen im Schlamm. Einer von ihnen lachte, als hätte ein anderer einen Witz gemacht.
    Elenia schüttelte angewidert den Kopf. Eine hübsche Frau in Nasins Richtung zu stoßen, um ihn abzulenken, war eine Sache - sie musste nicht mal besonders hübsch sein; jede Frau, die der alte Narr in eine Ecke treiben konnte, war in Gefahr -, aber die eigene Zofe zu nehmen war widerwärtig. Wenn auch nicht so widerwärtig wie Nasin selbst. »Ihr habt versprochen, ihn mir vom Hals zu halten, Arymilla«, sagte sie mit leiser, angespannter Stimme. Der geile alte Verrückte mochte sie ja für den Augenblick vergessen haben, aber er würde sich
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