Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds
Autoren: James Surowiecki
Vom Netzwerk:
auf dem »Organizational Encounters with Risk Workshop«, London School of Economics Centre for the Analysis of Risk and Regulation (Mai 2002), http://www.sociology.ed.ac.uk/Research/Staff/LSE.pdf .
    Das Debakel des LTCM offenbart auch Probleme mit der wohl bekannten Theorie, dass Arbitragehändler für die Effizienz von Finanzmärkten ausschlaggebend sind. Dieser Theorie zufolge – sie gleicht der Vorstellung von der Bedeutung »marginaler Händler«, die in einer Anmerkung zur Erörterung der Iowa Electronic Markets (IEM) erwähnt wird – sind die meisten Anleger törichte, vielleicht irrationale Lämmer, denen in der Preiseinschätzung finanzieller Papiere dauernd Fehler unterlaufen; die Arbitragehändler sind die gewieften und mitleidlosen Wölfe (oder Haie), die jeden Fehler der anderen erkennen und ausnutzen und damit den Preis der Anlagen wieder ihrem echten Wert zuführen. Demgemäß wären es also die Wölfe (oder Haie), die eigentlich den Marktpreis bestimmen, während die Lämmer einfach nur dazu da wären, Fehler zu begehen, um den Wölfen einen finanziellen Anreiz zu bieten, bei dem Spiel einzusteigen. Es ist dies eine populäre, wenngleich wenig ausgereifte Theorie, die zudem auf einer ganzen Reihe falscher Voraussetzungen basiert. Falls die meisten Anleger tatsächlich »irrational« in dem Sinne wären, dass sie, in ihrer Gesamtheit, für Finanzwerte systematisch falsche Preise ansetzen, so bestünde – selbst wenn der intelligente Arbitragehändler interveniert, um den Markt wieder zur Räson zu bringen – kein Anlass zu meinen, dass die Lämmer nicht in ihr irrationales Verhalten zurückfallen würden, wenn der Wolf sein Eingreifen beendet. Wenn Anleger irrational sein sollten, so wissen sie jedenfalls nicht, dass sie irrational sind. Sie sind genauso überzeugt, sich richtig zu verhalten, wie der Wolf. Und kluge Investoren verfügen einfach nicht über genügend Kapital, um hinsichtlich einer Anlage die Kauf- oder Verkaufsmacht aller übrigen Investoren zu übertrumpfen; es wäre folglich unbegreiflich, wie ihre Rationalität die Irrationalität der törichten Anleger ausgleichen könnte.
    Die unausgesprochene Annahme hinter der Vorstellung, dass es die Arbitragehändler sind, die den Marktpreisen ein vernünftiges, rationales Niveau sichern, kann ja nur lauten: Sobald die gescheiten Anleger handeln, reift bei all den anderen bis dahin unvernünftigen Anlegern die Erkenntnis, dass sie sich töricht verhalten haben. Nur gibt es weder theoretisch oder empirisch noch anhand irgendwelcher Experimente einen Hinweis, dass so etwas der Fall sein könnte. So denn ein großer Prozentsatz der Anlieger unvernünftig sein sollte, würden sie nicht schlagartig ihre Meinung ändern, wenn da plötzlich jemand käme und einen Handel abschlösse, der implizierte, dass sie falsch liegen. In dem Augenblick, da das Kapital des Außenseiters erschöpft wäre, würden sie sich nämlich einfach wieder genauso unvernünftig bzw. irrational verhalten wie zuvor. Hier könnte man nun dagegenhalten: Falls das eintritt, wird der Arbitragehändler aus seinem Handel Gewinn schlagen, während die irrationalen Anleger Geld verlieren werden – und aufgrund dessen würden die Preise auf Dauer schon zu einer rationalen Basis finden. Eine solche Argumentation übersieht allerdings den entscheidenden Punkt, der in Folgendem besteht: Ein rationaler Arbitragehändler kann ja immer nur dann Gewinn machen, wenn die Preise schlussendlich rational werden. Der Terminaktienhändler James Chanos bemerkte hierzu: »Wir können nur hoffen, dass der Markt am Ende zu der Einsicht gelangt, dass 2 + 2 = 4 ist.« Wenn jedoch – was ihm eh unmöglich wäre, doch betrachten wir die Sache hier einmal rein logisch – einzig und allein der Arbitragehändler einen der Realität angemessenen, rationalen Preis für Wertpapiere bewirken könnte, würde er nie Gewinn machen. (Mit anderen Worten: Wenn das Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren durch den Arbitragehändler ihren Preis rational und reell machen würde, müsste er sich ja mit marginalen Gewinnspannen begnügen.) Demnach können Arbitragehändler nur florieren, wenn der Markt in seiner Gesamtheit von sich aus in Richtung echter Preis tendiert. Wie aber, so wäre dem nun wieder entgegenzuhalten, sollte dem Markt das möglich sein, wenn die Mehrheit der Anleger einfältige Schafe wären?
    Genau dafür liefert die Geschichte von LTCM ein geradezu unumstößliches Exempel. Der Hedgefonds LTCM war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher