Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik
Autoren: Gunther Mai
Vom Netzwerk:
Vorbehalten («wenn der Achtstundentag für alle Kulturländer durch internationale Vereinbarungen festgesetzt wird») hatten die Arbeitgeber die Kündigungsklausel gleich eingebaut. Enttäuscht von der schrittweisen Rücknahme der Zugeständnisse,ließen die Gewerkschaften das Abkommen zum 31. März 1924 auslaufen.
    Ein weiteres Element der «Revolution von oben» war das Verharren der alten staatlichen Bürokratie in ihren Positionen. Sie stellte ihre Expertise zur Verfügung und erhielt dafür eine Bestandsgarantie; nur eine kleine Minderheit wählte den Rückzug, um nicht der Republik dienen zu müssen. Auch der Arbeitsstab der provisorischen Revolutionsregierung (Rat der Volksbeauftragten) bestand vorwiegend aus alten Beamten der Reichskanzlei, die aus Verantwortungsbewusstsein blieben oder die MSPD als Bündnispartner im Kampf gegen die Revolution zu instrumentalisieren suchten. Auch die «bürgerlichen Mitglieder» des alten Kabinetts wurden – mit Zustimmung der USPD – am 9. und 10. November 1918 als «technische Gehilfen des entscheidenden Kabinetts» im Amt belassen. Ihnen wie dem preußischen Kriegsminister und der OHL wurden Beigeordnete zur Seite gestellt, die der Kontrolle dienen sollten, diese Aufgabe aber nur in sehr begrenztem Maße erfüllten. Zudem begnügten sich MSPD und USPD mit der Leitung von Reichswirtschaftsamt, Reichsarbeitsamt und Reichsernährungsamt, da diese Politikfelder ihren traditionellen Interessen und Kenntnissen entsprachen. Erst nach den Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919 rückten im Kabinett Scheidemann Sozialdemokraten auch in die Ministerien für Reichswehr, Wirtschaft und Justiz ein.
    Als Minister neu berufen wurde am 15. November 1918 der liberale Staatsrechtslehrer Hugo Preuß (DDP), dessen Aufgabe die Ausarbeitung einer Verfassung war. Auch das war eine Vorentscheidung, denn damit ließ sich die MSPD auf die Perspektive eines liberalen Verfassungsmodells ein. Dahinter standen zwar auch Koalitionsrücksichten, vor allem aber fehlte der MSPD ein eigenes Verfassungskonzept. Ebert versprach am 25. November eine «sozialistische Demokratie», doch davon war nach den Beratungen über den ersten Entwurf von Preuß nichts mehr zu spüren: Dieser enthielt erwartungsgemäß keine sozialistischen Elemente, sondern eine Garantie des Eigentums und sah Enteignungen nur gegen Entschädigung vor. Am Endemusste die MSPD eingestehen, dass eine Reihe wichtiger Strukturmerkmale der Verfassung von einer bürgerlichen Mehrheit im Kabinett gegen sie durchgesetzt worden war; der Partei blieb nur noch übrig, ihre Zustimmung im Vertrauen auf «die lebendige Entwicklung» der Verfassung zu geben.
    Die Revolution verdankte insofern ihren ersten Erfolg der Konterrevolution. Sie verdankte der Konterrevolution aber auch ihre Schwäche, weil diese den Erfolg so mühelos werden ließ. Da sich das alte Regime im Zeichen der Kriegsniederlage aus der Verantwortung zurückzog, stellte sich die Machtfrage nicht. Allerdings war die SPD auch nicht gewillt, die Machtfrage zu stellen. Sie wie die Gewerkschaften nahmen bereitwillig die Angebote an, um eine Revolution von unten zu vermeiden. Die schien nach den mühelosen Erfolgen ohnehin unnötig. Das geringe Ausmaß der Gewalt im November und Dezember 1918 angesichts eines fehlenden Widerstandes sowie die Versuche der SPD, die Revolution rasch zu beenden, begünstigten ihre Gegner, indem sie eine hohe Kontinuität von Personal und Strukturen bewirkten: in Staatsbürokratie und Militär, Parteien und Verbänden, Kirchen und Vereinen, Schulen und Universitäten. Es fand eine eng begrenzte Elitenerweiterung statt, aber kein Elitenaustausch.
    Doch die Strategie der «Revolution von oben» ging nicht auf. Denn mit der Meuterei der Matrosen, dann der Soldaten und zuletzt der Arbeiter begann die Revolution von unten. Deren Revolte bestimmte die Phase bis zum 16./21. Dezember 1918 und verhinderte, dass die MSPD die Revolution «schließen» konnte, bevor sie eigentlich begonnen hatte. Ausgangspunkt der Revolte war die spontane Meuterei der Matrosen gegen das geplante Auslaufen der Flotte gegen England am 28. Oktober. Die kriegsmüden Matrosen, Soldaten und Arbeiter wollten die sofortige Beendigung des Krieges erzwingen. Sehr rasch trat indes neben das Ziel von Frieden und Brot die Forderung nach Umgestaltung der politischen und sozialen Ordnung. Seit dem 3. November breitete sich von Kiel die Bewegung über das Reich aus. Am 9. November war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher