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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik
Autoren: Gunther Mai
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Arbeiterschaft; sie stimmten in übergroßer Mehrzahl für die baldige Einberufung einer Nationalversammlung,um ihr die Macht, die sie treuhänderisch übernommen hatten, rückübertragen zu können.
    Der Übergang zur nächsten Phase, die bis zur Niederschlagung der Münchner Räterepublik Anfang Mai 1919 dauerte, vollzog sich abrupt. Sie war von einer Radikalisierung der Räte geprägt, die jetzt mehrheitlich der USPD zuneigten, aber durch ihren spontaneistischen Charakter keine organisierte Macht entfalten konnten. Indem die MSPD aus Furcht, die Räte könnten in die Hände der Linken geraten, diese entmachten wollte, trieb sie diese USPD und KPD erst in die Arme. Ihre Vorstellung, der Sozialismus werde zur Ausdehnung der Gestaltungsrechte und Interventionstätigkeit eines demokratischen Staates führen, war mit der Forderung der Räte nach autonomer Selbstorganisation und basisnaher Mitbestimmung unvereinbar. Während die MSPD ihren Übergangsauftrag betonte, der demokratisch nicht legitimierte Strukturentscheidungen verbiete, drängten jetzt die USPD und ein wachsender Teil der Räte auf die Klärung der Machtfrage, auch auf Kosten konstruktiver Problemlösungen. Obwohl die USPD-Volksbeauftragten die Einberufung der Nationalversammlung anfangs befürwortet hatten, wollten sie nun unter dem Druck des linken Parteiflügels deren Zusammentreten hinausschieben, um das Interregnum für Strukturreformen zu nutzen.
    Das waren unvereinbare Positionen. Während die MSPD in sich geschlossen war und die Unterstützung von Reichsbürokratie und bürgerlichen Kabinettsmitgliedern erhielt, geriet die innerlich gespaltene USPD im Rat der Volksbeauftragten in die Rolle des Juniorpartners. Sie musste aus diesem ausscheiden, wenn sie ihre Machtposition nicht verlieren wollte, die in den Betrieben und «auf der Straße» lag. Am Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik, der als oberstes Räteorgan vom Reichsrätekongress gewählt wurde, beteiligte sie sich schon nicht mehr. Er wurde von der MSPD allein gestellt. In der Regierungskrise vom 28./29. Dezember gab seine Stellungnahme den letzten Anstoß für den Rückzug der USPD aus der Regierung. Anlass für den Bruch waren die «Weihnachtskämpfe» in Berlin. Um ihre Soldforderungen durchzusetzen, nahm die Volksmarinedivisionden Stadtkommandanten als Geisel und besetzte Stadtkommandantur, Reichskanzlei und Schloss. Es kam zu Schießereien mit Truppen der OHL, die die Regierung herbeigerufen hatte. Jetzt, als der Konsens von MSPD und USPD zerbrochen war, sah die radikale Linke um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ihre Chance, den offenen Klassenkampf auszulösen. Sie gründeten am 1. Januar 1919 die KPD. Auf Massendemonstrationen riefen sie zum Sturz der Regierung auf und versuchten, diesen mit Waffengewalt zu erzwingen. Obwohl die USPD zu vermitteln suchte, lehnte die Regierung Verhandlungen ab, sondern suchte erneut die militärische Lösung, in deren Verlauf Liebknecht und Luxemburg am 15. Januar ermordet wurden.
    Die MSPD hatte sich in die Hand des Militärs begeben, dessen Bedeutung durch die Kämpfe mit Polen in Oberschlesien zusätzlich gestärkt wurde. Da die Regierung das Militär nicht kontrollieren konnte, schwächte dessen radikales Vorgehen das Ansehen der Regierung weiter, nicht zuletzt in der Armee selbst. Die einsetzende Radikalisierung der USPD und der Rätebewegung wie ihre steigende Attraktivität für immer mehr enttäuschte Arbeiter war eher Folge als Ursache dieser innenpolitischen Kräfteverschiebung. Je mehr die Räte ihre Macht schwinden sahen, umso radikaler versuchten sie, ihre Ansprüche durchzusetzen. Von Berlin sprang die revolutionäre Unruhe auf das Ruhrgebiet über, wo am 9. Januar die Arbeiter- und Soldatenräte die sofortige Sozialisierung des Kohlebergbaus beschlossen, im Februar auf das mitteldeutsche Industriegebiet. Am 10. Januar wurde in Bremen eine Räterepublik ausgerufen. Massenstreiks in Oberschlesien und Württemberg folgten, im März ein Generalstreik in Berlin, im April im Ruhrgebiet. Der Generalstreik in Berlin wurde ebenso militärisch unterdrückt (1200 Tote) wie die Streikbewegung im Ruhrgebiet und die Räterepublik in München (über 1000 Tote). Damit war die erste Welle der revolutionären Kämpfe zum Abschluss gekommen, aber die MSPD stand vor einem Scherbenhaufen. Sie hatte ihr Versprechen eingehalten, die Transformation der politischen, Gesellschafts- und Wirtschaftsverfassung nur auf verfassungsgemäßem Wege
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