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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik
Autoren: Gunther Mai
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durchzuführen. Dass erst die Klärung der Machtfragediese Normen mit Leben erfüllen würde, hat sie nicht übersehen, sondern auf einen Lern- und Überzeugungsprozess gehofft. Daher wies sie die Versuche der Linken, die Machtfrage auf anderem Wege zu klären, mit aller Härte zurück. Indem sie im Januaraufstand gegen die relativ schwache radikale Linke mit militärischen Mitteln vorgegangen war, hatte sie den offenen Bürgerkrieg selbst provoziert. So wie die Rätebewegung jetzt zwischen den Behörden und der MSPD zerrieben wurde, so die MSPD zwischen den sich radikalisierenden Räten und den selbstbewusster agierenden alten Kräften. Nach den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 und erst recht nach dem Zusammentreten der Nationalversammlung am 6. Februar sah sie endgültig kein Recht mehr, Strukturreformen einseitig durchzusetzen.
    Aber auch der KPD war es nicht gelungen, die Rätebewegung von innen zu erobern und sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, auch wenn sie z.B. in den Räterepubliken in Bremen und München eine prominente Rolle spielte. In den meisten Fällen gaben die Betriebsräte und die USPD den Ton an. Letztere war und blieb der politische Repräsentant der Rätebewegung. Trotz ihrer Radikalisierung seit dem März 1919, die aus den betrieblichen Kämpfen um Mitbestimmung gespeist wurde (Betriebsrätebewegung), war es die auf Spontaneität und Dezentralisierung gerichtete Struktur, die die USPD gegenüber dem jeweils unterschiedlich ausgeprägten autoritären Zentralismus von SPD und von KPD auszeichnete. Hier sammelte sich der aus Not und politischer Frustration entstandene Aktionismus der Arbeiterschaft, um fast ebenso rasch zusammenzubrechen. Die parteiinternen Richtungen lähmten sich gegenseitig. Plädierte der linke, später zur KPD gehende Flügel für ein politisches und wirtschaftliches Rätesystem als Ersatz für das parlamentarische System, so sah der rechte, zur SPD zurückkehrende Flügel dieses als dessen Ergänzung. Als die Rätebewegung seit Juni 1919 abzubröckeln begann und Anfang 1920 von der historischen Bühne verschwand, begann auch der Niedergang der USPD. Mit der militärischen Niederschlagung der neuen Aufstände im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland im März/April 1920 sowie abermalsin Mitteldeutschland im Frühjahr 1921, bei denen die KPD erneut eine spektakuläre, aber keine entscheidende Rolle spielte, war die Phase des militanten Bürgerkrieges vorerst beendet.
2. Die Verrechtlichung der Revolution: Die Verfassung
    Auf die rasche Einberufung einer Nationalversammlung und die baldige Verabschiedung einer Verfassung drängten alle die Kräfte, die die Revolution so schnell wie möglich beenden wollten: SPD und Gewerkschaften, die Bürgerlichen sowieso, aber auch die große Mehrheit der Soldatenräte, sehr viele Arbeiterräte und anfangs selbst der größere Teil der USPD. Der Rat der Volksbeauftragten verabschiedete am 29. November das entsprechende Gesetz; der Reichsrätekongress legte den 19. Januar 1919 als Wahltermin fest. Die Wahlen, an denen erstmals auch die Frauen beteiligt waren und deren Ergebnis die Radikalisierung seit Anfang Januar noch nicht widerspiegelte, bestätigten die starke Stellung der SPD (37,9 %). Sie ergaben aber keine linke Mehrheit, da die USPD nur 7,6 % erhielt, sondern eine der bürgerlichen Parteien. Von diesen schnitten das Zentrum (19,7 %) und die linksbürgerliche DDP (18,5 %) am besten ab, die seit dem Oktober 1918 eine Koalition mit der SPD bildeten, die jetzt fortgesetzt wurde. Diese «Weimarer Koalition» stützte sich unter anderem auf ein in Deutschland neues soziales Bündnis: die Gewerkschaftsflügel der republikanischen Parteien SPD, Zentrum und DDP. Nicht zuletzt deshalb blieb die der Industrie nahestehende Deutsche Volkspartei abseits, obwohl sie 1917/18 mit den drei Parteien zusammengearbeitet hatte. So kam es nicht zu einem Bündnis der industriellen Eliten der Arbeitgeber und Gewerkschaften, das sich in der Zentralarbeitsgemeinschaft als Möglichkeit angedeutet hatte. Damit erledigte sich auch die Chance, den Primat industriegesellschaftlicher Entwicklung als Gründungskonsens der Republik zu verankern gegen die in ihren Machtpositionen eingeschränkten agrarischen Eliten, gegen ein in die Defensive schwenkendes Bildungsbürgertum und gegen einen seit dem Krieg marginalisierten gewerblichen Mittelstand.
    Obwohl sie mit Abstand die stärkste Partei war, sah sich die SPD nach dem Bruch mit der
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