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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik
Autoren: Gunther Mai
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Verfassungsänderungen vom 26./28. Oktober 1918 war eine kalkulierte, inhaltlich wie zeitlich als befristet verstandene Machtübertragung an die Linke. Noch am 29. September hatte die OHL den Vorschlag des Staatssekretärs des Äußeren Paul von Hintze aufgegriffen, durchdie Einbeziehung «geeigneter Mitglieder» der SPD die Regierung auf eine breitere Basis zu stellen. Das sollte ausdrücklich keine «volle Parlamentarisierung» beinhalten. Am 30. September ordnete der Kaiser die entsprechende Umbildung des Kabinetts an. Insofern handelte es sich nicht um eine «parlamentarische Revolution», sondern die Reformen wurden von oben «gewährt». Die Mitte-Links-Parteien drängten seit Mitte September auf eine Parlamentarisierung, aber sie erzwangen sie nicht. Sie forderten nicht einmal die «volle» Parlamentarisierung, selbst die SPD nicht, sondern nur die «Berufung von Regierungsvertretern aus dem Parlament». Dass schließlich die Verfassungsreform über die ursprünglichen Intentionen der Reichsleitung wie der Mehrheitsparteien hinausging und den Reichskanzler vom Vertrauen des Parlaments abhängig machte, war nicht zuletzt dem Druck Wilsons zu verdanken. Noch wurde aber auch von der SPD die Monarchie nicht infrage gestellt. Als Max von Baden am 9. November eigenmächtig die Abdankung Wilhelms II. verkündete und das Amt des Reichskanzlers an Friedrich Ebert, den Parteivorsitzenden der MSPD, übertrug, hoffte er, so die Monarchie retten zu können. Ebert, der sich als «Konkursverwalter des alten Regimes» bis zum Zusammentreten der Nationalversammlung sah, versicherte, er werde das Amt im Rahmen der geltenden Reichsverfassung ausüben. Obwohl die SPD an diesem 9. November aus der Regierung austrat und die Regierungsgewalt für sich forderte, hoffte auch Ebert, durch eine Koalition aus SPD, Zentrum und Fortschrittspartei – nach Möglichkeit erweitert um die USPD – die Revolution von unten vermeiden zu können. Er war empört, als sein Parteifreund Philipp Scheidemann von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die Republik ausrief.
    Obwohl das Militär durch die Verfassungsreformen der zivilen und parlamentarischen Kontrolle unterstellt worden war, blieb die Heeresleitung faktisch ein unabhängiger Machtfaktor. Wilhelm Groener, Nachfolger Ludendorffs in der Heeresleitung, drängte auf die Abdankung des Kaisers, weil nur so die Armee «aus der Atmosphäre der Revolution möglichst» herausgehalten und als Machtinstrument erhalten werden könne. Am10. November stellte er die Armee der provisorischen Regierung «zum Kampf gegen die Revolution, zum Kampf gegen den Bolschewismus» zur Verfügung. Ebert nahm das Angebot an, überzeugt, dass die Reichswehr «zu meiner Verfügung» stehen werde, obwohl die sich ihm nicht unterstellen, sondern nur mit ihm zusammenarbeiten wollte. Damit sprach Ebert eine Bestandsgarantie für Generalstab und Offizierskorps aus. Er brauchte diese, um die Bestimmungen des Waffenstillstandes auszuführen und acht Millionen Soldaten in Disziplin zu halten, begab sich aber gleichzeitig in eine Abhängigkeit von der OHL, ohne dafür mehr als eine Loyalitätserklärung zu erhalten. In der Folgezeit konnte die OHL erfolgreich die zaghaften Versuche der Regierung abwehren, das Heer einer zivilen Kontrolle zu unterstellen. Vielmehr machte die Radikalisierung der Revolution die Reichswehr zur unentbehrlichen Stütze der Regierung. Indem sie sowohl eine Weiterführung der Revolution wie eine unmittelbare Konterrevolution verhinderte, fühlte sie sich bald wieder stark genug, der Regierung eine Diktatur auf der Grundlage eines Bündnisses von SPD und Armee anzubieten.
    Zur «Revolution von oben» gehörte auch die Zentralarbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber und Gewerkschaften vom 15. November. Im Hinblick auf die bevorstehende Demobilmachung von Heer und Wirtschaft hatten die Unternehmer im Oktober die Verhandlungen in die Wege geleitet. Aber erst unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse waren sie bereit, auf die entscheidenden Forderungen der Gewerkschaften einzugehen. Jetzt erkannten sie diese als gleichberechtigte Verhandlungspartner an und gestanden ihnen den Achtstundentag und Betriebsräte in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten zu. Das Abkommen wurde zu einer Bestandsgarantie für die Unternehmer und die kapitalistische Eigentumsordnung. Die Gewerkschaften setzten auf Sozialpartnerschaft, Parität und Mitbestimmung und verzichteten damit faktisch auf Sozialisierung. Neben
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