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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars
Autoren: Klaus Frühauf
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beginnt ihm Schweiß in die Augen zu rinnen. Das Schweißband im Helm hat sich vollgesaugt und gibt die beißende Flüssigkeit in kleinen Portionen ab. Er kann sich nicht einmal die Augen wischen, da er den Helm nicht abnehmen darf. Es ist ekelhaft und widerlich.
    Zehn Minuten später hält er es nicht mehr aus, wendet der Sonne den Rücken zu und stolpert rückwärts weiter, immer wieder über die Schulter in Marschrichtung blickend, um nicht in eine der kleinen verwehten Senken zu stürzen. Beim Umblicken begrenzt der Helm, der fest mit der Anzugmanschette verbunden ist, seinen Sichtwinkel, so daß er gezwungen ist, zeitweilig den ganzen Oberkörper zu drehen.
    Auch das ist nicht lange auszuhalten. Trotzdem zwingt er sich zu dieser ungewöhnlichen Fortbewegungsweise, bis er die Wärme der Sonne auf Rücken und Schultern spürt. Erst dann dreht er sich wieder herum.
    Noch mehrmals wiederholt er dieses Spiel, ehe die Sonne so tief steht, daß ihre Strahlen einen Großteil ihrer Energie in den dichteren Schichten der Atmosphäre verlieren.
    Als er rückwärtsgehend nur mit Mühe einer der verwehten Spalten ausweichen kann, bleibt er fluchend stehen und hebt den Blick vom Boden. Weit hinten, in der Richtung, aus der er gekommen ist, sieht er etwas aufblitzen. Auf dem verschwommenen Kamm des Cerberus steht ein Licht. In der sinnlosen Hoffnung, dort drüben, wo das Wrack des Raketoplans liegt, würden Lichtsignale gesendet, starrt er, bis seine Augen anfangen zu tränen, aber dann ist er sicher, daß ihn ein Sonnenreflex auf der metallenen Oberfläche des havarierten Flugkörpers genarrt hat. Langsam, mit dem Sinken der Sonne, verschwindet auch das Licht.
    Kronert läßt in doppelter Enttäuschung die Schultern sinken. Nicht nur, daß dort niemand ist und ihm signalisiert, nein, der Reflex hat ihm auch bewiesen, wie kurz sein bisher zurückgelegter Weg ist.
    Höchstens fünfundzwanzig Kilometer hat er sich bisher vom Unfallort entfernt, und die Nacht mit ihrer schneidenden Kälte ist nicht mehr weit. Wenn er am ersten Tag dreißig Kilometer schafft, kann er sich gratulieren, aber er muß in zwei Tagen einhundertfünfzig Kilometer hinter sich bringen, wenn er nicht erfrieren will. Wasser und Atemgas würden vielleicht für vier Tage reichen, die wärmespendende Batterie jedoch höchstens für zwei Nächte, auch dann, wenn er sich zusammenrollt, um die Abstrahlung so niedrig wie irgend möglich zu halten.
    Eine einfache Rechnung also, und sie zeigt, daß alle Anstrengungen vergeblich sind. »Dreisatzrechnung!« murmelt er in den Helm, und immer wieder: »Dreisatz!« Minutenlang gelingt es ihm, dadurch zu verhindern, daß das Hirn diese Rechnung, die alles entscheiden wird, ohne Denkanstoß durchführt, aber wer schafft es schon, sein Unterbewußtsein zu beherrschen? Außerdem ist diese Rechnung viel zu einfach, als daß er sich selbst an ihrer Durchführung hindern könnte.
    Einhundertfünfzig Kilometer entsprechen bei seinem derzeitigen Tempo fünf Tagen. Es ist sinnlos weiterzulaufen, sinnlos, sinnlos!
    Und doch läuft er weiter. Er sieht die Sonne unter den Horizont tauchen, fühlt, wie die Kälte in ihm heraufkriecht, aber er marschiert, schaltet die Heizung nicht ein, in der törichten Hoffnung, sich warm laufen zu können.
    Der feine, mehlige Sand wird schnell dunkler, angefeuchtet von dem in der Kälte kondensierenden atmosphärischen Kohlendioxid. In den letzten Strahlen der Sonne sieht er, wie sich lange hellere Bahnen über den Staub ziehen, so als werde er nicht gleichmäßig feucht. Und dann fällt ihm ein, daß er bereits gegen Mittag, als er rückwärts gelaufen war, eine Beobachtung gemacht hatte, die ihm im Bewußtsein geblieben war, ohne daß er versucht hätte, sie sich zu erklären. Stehenbleibend blickt er sich um über die weite Fläche bis hin zum Cerberus, der jetzt viel weiter entfernt ist.
    Zuerst weiß er nicht, was ihm ungewöhnlich erscheint, was ihm schon vor fünf Stunden aufgefallen war, ohne daß er es hätte definieren können. Dann aber sieht er es: Seine Spuren verschwinden im Sand. Langsam fließen die verwaschenen Abdrücke mit der Umgebung zu einer glatten Fläche zusammen, verschwinden trotz Windstille.
    Wenige Minuten nur, und er steht inmitten einer unberührten eintönigen Landschaft, inmitten der Mortula, der Wüste des Todes, seines Todes.
     
    Die Nacht hat er zusammengekrümmt verbracht, um Strom zu sparen. Trotzdem hat er entsetzlich gefroren. Und die ganze Nacht über haben
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